RAGE - Aschaffenburg, Colos-Saal


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Interview vom 08.12.04
Interviewpartner: Peavy Wagner (voc./b.)

Homepage:
www.rage-on.de

Interview von Stefan Hoidn und Dirk Menzel

FFM-Rock:
Vielen Dank, dass Du Dir ein paar Minuten für uns Zeit nimmst. Wie ist die Tour bis jetzt angelaufen und wie ist die Publikumsresonanz?

Peavy:
Sehr gut. Wir sind sehr überrascht und sehr zufrieden, gute Resonanzen, die Läden sind voll und das  Merchandise ausverkauft. Lief gut bis jetzt … keine schlimmen Unfälle …

An dieser Stelle wird das Interview unterbrochen und man begleitet die Band zum Soundcheck. Anschließend geht es wie folgt weiter:

FFM-Rock:
Du blickst nun auf eine zwanzigjährige Karriere zurück. Gab es in dieser Zeit Phasen, in denen Du ans Aufhören gedacht hast oder war das nie ein Thema?

Peavy:
Es gibt mal Sekunden, da kommen mal so Gedanken: „Hättest Du doch bloß … wärst Du doch bloß (kurze Pause) Pathologe geworden oder so …“ - die Toten sind irgendwie viel cooler drauf … wenn Du mal wieder an irgendwelche Ar********r geraten bist … aber nicht wirklich, absolut nicht!

Es ist ein supergeiles Leben, wenn man sein Leben als Rockmusiker verbringen kann und klar gibt es immer wieder Rückschläge. Doch egal, was man im Leben macht, bleibt das nicht aus. Aus allen Rückschlägen erwachsen ja auch neue und teilweise bessere Sachen. Ich muss sagen, meine größte Enttäuschung war ja mit dem vorherigen Line-Up gewesen, wo die mich da 1999 haben sitzen lassen, aber es hat sich ja etwas weitaus besseres daraus entwickelt, insofern kann ich den Leuten ja fast schon dankbar sein, dass sie abgehauen sind.

FFM-Rock:
Du hast im Prinzip schon das vorweggenommen, was die nächste Frage gewesen wäre, das war ja kurz vor oder während den Aufnahmen zu „Ghosts“ …

Peavy:
… während …wir waren schon halb fertig…

FFM-Rock:
Wie bist Du in dem Moment damit umgegangen? Hast Du eher resigniert oder hast Du gesagt: Nee, scheißegal, jetzt erst recht!?

Peavy:
Bei mir haben in dem Moment erst mal - „Red Alarm“ - die Glocken geklingelt: wie kriege ich jetzt das Album fertig, denn das Studio war gebucht bis zum So-und-so-vielsten und die Uhr tickt und jede Stunde kostet was weiß ich wie viel hunderte von Euros … also habe ich dann ganz schnell erst mal versucht, Musiker zusammenzutrommeln, um das Album fertig zu kriegen. Zum Glück habe ich Victor gefunden. Ich Vollidiot - jetzt muss ich mal ein bisschen ausholen, was den Victor betrifft: Ich habe für die DVD alle alten Archive durchgewälzt und habe da bei den alten Unterlagen einen Zettel gefunden mit Victors Telefonnummer drauf. Der Zettel war von 1994, also genau da, wo Manni ausgestiegen war – und ich Idiot hätte Victor schon damals in die Band holen können, als Ersatz für Manni sozusagen, habe es aber nicht gemacht, sondern mir diese Laus in den Pelz gesetzt …diese griechische …

FFM-Rock:
Man weiß im Nachhinein sowieso nicht, für was es richtig oder falsch war … Ihr habt im Moment jetzt wirklich ein Hammer-Line-Up stehen
 

Peavy:
Vielleicht sollte ich das karmisch erleben. Auf jeden Fall hätte ich Victor schon damals haben können und es war halt ein Fehler, da nicht drauf zu reagieren. Auf jeden Fall habe ich Victor dann angeheuert, die „Ghosts“ erst mal fertig zu machen. Er hat auch das Ding ziemlich gerettet, sonst wäre das völlig in die Hose gegangen und so hat sich das nächste dann auch daraus entwickelt … Zusammen haben wir dann den Mike gefunden, über einen Bekannten, den Marko Millmann, der war damals zusammen mit den H-Blockx. Dieser hatte auch im Studio einen Proberaum und uns dann Mike empfohlen. Er meinte, der wäre wohl jetzt auch hier in Europa gestrandet und wir sollten doch mal versuchen, ob wir ihn interessieren könnten. Mike war auch sofort interessiert, hat händeringend Jobs gesucht … joh, da haben wir einmal zusammen eine Session gemacht und es hat sofort gefunkt! Konnte man nicht unbedingt vorhersehen, aber es hat sich daraus das stabilste und beste Line-Up entwickelt, das die Band je hatte. Wir sind jetzt auch schon im sechsten Jahr zusammen und sind mehr eine Band als es jemals vorher ein anderes Line-Up in der Band war, so dass sowohl Victor als auch Mike sich völlig mit einbringen. Wir managen uns mittlerweile selber, machen alle Sachen bis auf’s Booking an sich, da haben wir eine Agentur, die das bucht, aber selbst da ist Mike schon zur Hälfte mit involviert, also die ganze Tourplanung hat er zur Hälfte mitgemacht jetzt. Mike ist unser Tourmanager, ist der Drum-Roadie, kümmert sich um die Merchandise-Angelegenheiten, Victor ist für alles, was die Musikproduktionen betrifft, zuständig und ich mache dann alles, was noch übrig ist an Management-Arbeit, Kontakt  zu Plattenfirmen, Geschäftspartnern pp., Geschichten wie GEMA-Kram und so.

FFM-Rock:
Mit diesem autonomen Status habt Ihr natürlich einen Riesen Vorteil …

Peavy:
Dafür haben wir aber auch lange gebraucht, um endlich mal zu kapieren, dass im Grunde sich unheimlich viele Leute um eine Band herum scharen, die eigentlich nur Geld abgreifen und letztendlich Sachen machen, die man selbst sogar besser machen könnte. Man weiß doch selbst am besten, was man genau braucht. Wenn man nur nicht so faul wäre oder glauben würde, man könnte es nicht alleine, weil alle es immer mit Manager machen, wüsste man, dass das nicht nötig ist. Was willst Du bei so einer Band wie uns noch managen? Die Sachen laufen von selber, wir kennen unsere Geschäftspartner eh schon seit Jahrzehnten, da gibt’s nichts groß zu managen.

FFM-Rock:
Du hast mit Mike und Victor zwei absolute Könner in der Band. Mike ist noch in anderen Bands tätig. Kommt es da manchmal zu Überschneidungen oder lässt sich das locker arrangieren?

Peavy:
Eigentlich lässt sich das relativ locker arrangieren, Rage ist halt der Schwerpunkt für beide und darum herum bauen sie ihre anderen Aktivitäten auf. Sie waren beide schon immer, von Anfang an, Studiomusiker gewesen und sind das eigentlich nur so gewohnt. Es wäre auch blödsinnig, von den beiden zu erwarten, dass sie nichts anderes mehr nebenbei machen würden. Und es kommt ja der Band letztendlich auch zugute. Nicht nur, dass es auch einen Werbeeffekt hat, sondern es kommen neue Einflüsse rein. Zum Beispiel Victors letztes Solo-Album hat uns jetzt motiviert, dass wir unser nächstes offizielles Album jetzt wieder orchestriert machen. Und durch die Arbeit an dem Bach-Album war die Band zu einem großen Teil dabei. Im Vorfeld haben wir das ja auch das ganze Programm schon live mal gespielt. Also eigentlich ist das eine sehr befruchtende Sache, dass die beiden noch soviel anderes machen. Und terminlich ist das eigentlich eine reine Organisationsarbeit. Wenn man das einmal raus hat, ist es eigentlich kein Problem mehr. Es ist noch nie irgendwas deswegen liegen geblieben.

FFM-Rock:
Ihr seid jetzt eigentlich gerade mit diesem Line-Up mit jedem Album – meiner Ansicht nach – immer vielseitiger, virtuoser geworden. Es ist aber trotz allem in jedem Stück der Ur-Rage-Charakter rauszuhören. Wie schafft man das, einfach den unverwechselbaren Rage-Charakter in die neuen Songs reinzuprojizieren?

Peavy:
Ich nehme mal an, dass der Rage-Charakter größtenteils von mir kommen wird. Allein schon die Art, wie ich singe, wie ich die Melodie-Führung mache und beim Komponieren – wir teilen das ja jetzt auf , zur Hälfte ich, zur Hälfte Victor – Victor hat sich da sehr gut reingedacht in den Stil  und auch noch ganz intelligent erweitert, ohne dadurch das Gesicht oder den Grundsound der Band zu verändern. Ich habe auch viel durch ihn gelernt, was das Komponieren angeht, gerade was Gesangs-Arrangements betrifft. Die Sachen, die er bringt, passen besser zu mir, als die Sachen, die ich selber schreibe. Er hilft mir, die Lines so zu koordinieren, dass sie besser auf die Stimme passen. Ja, ich weiß auch nicht, entweder kommt der typische Rage-Charakter halt wirklich von mir oder Victor hat sich da so gut reingedacht, dass er das diese Grundstimmung adaptiert hat. Jedenfalls funktioniert’s! Victor ist ein fantastischer Musiker, der sich ganz bewusst stilistisch in bestimmte Dinge reindenken kann … da kann nichts bei schief gehen. Er wird mit Sicherheit jetzt nicht irgendwelche Sachen bei der Band anbringen und versuchen einzubauen, die nicht passen würden.

FFM-Rock:
Man merkt es auch an Deinen Bassläufen, die Du spielst. Seitdem Victor in der Band ist, hast Du einiges zugelegt. Hast Du Dich damals in irgendeiner Form genötigt gefühlt oder warst Du irgendwie im Zugzwang, dann mithalten zu müssen oder hat sich das einfach so ergeben?

Peavy:
Ich bin nicht im Zugzwang. Ich habe ja auch früher, als wir den Manni noch in der Band hatten, das erste Trio-Line-Up hatten, auch schon weitaus mehr gespielt als ich es dann dazwischen gemacht habe in dem Vierer-Line-Up. Es ist einfach so, wenn Du eine Gitarre in der Band hast, dann ist einfach viel mehr Platz für einen Bass. Da kannst Du einfach auch viel mehr Sachen machen. Im Grunde kommen 90 % der Arrangierarbeit von Victor und er arrangiert das unheimlich tight und dadurch wird der Sound halt auch unheimlich fett und druckvoll. Insofern hat er schon offene Türen bei mir eingerannt. Ich hatte, wie gesagt, früher auch schon mehr gespielt und er hat die Sachen toll arrangiert, dass ich da auch ganz gut was mitspielen kann. Ich habe auch einige Sachen seit der Zeit dazu gelernt. Ich meine: es ist klar, wenn Du mit so einem Gitarristen spielst, wirst Du auch beim eigenen Spiel sozusagen befruchtet!

FFM-Rock:
Hast Du Dir schon Gedanken darüber gemacht, was nach Rage kommen könnte oder macht man sich da jetzt einfach keine Gedanken?

Peavy:
Für mich persönlich? Also, ich habe da jetzt keine Lust, noch mal eine neue Band zu gründen. Ich würde da schon gerne weiter machen.  Wir alle 3 wollen es gerne weitermachen, solange es möglich ist, solange ein Publikum dafür da ist … Wir haben alle wirklich Spaß an der Band. Es ist für uns auch so, dass wir uns alle wieder finden, alle 3, und ich habe selbst mit Solo-Alben jetzt schon mal darüber nachgedacht, so was zu machen, aber richtigen Antrieb habe ich auch nicht dazu.

FFM-Rock:
Wenn man eine Solo-LP macht, sollte es ja auch eigenständig sein und nicht wieder nach Rage klingen …

Peavy:
Genau! Und das sehe ich jetzt im Moment auch noch nicht so richtig. Ich habe zwar schon eine ganze Menge Material angesammelt, aber ich habe noch nicht so richtig im Kopf, was ich stattdessen machen könnte, dass etwas rauskommen würde, was nicht nach Rage klingt und da lasse ich es lieber erst mal, bis ich vielleicht mal eine richtig zündende Inspiration habe. Wir  haben jetzt keinerlei Pläne für danach oder so, weil wir es eben doch noch eine Weile machen wollen.

FFM-Rock:
Ihr habt mit „From The Cradle To The Stage“ ein Hammer Live-Album auf den Markt geworfen. Habt Ihr schon Verkaufszahlen oder kommt Ihr da jetzt so schnell noch nicht dran?

Peavy:
Zahlen weiß ich leider nicht, aber Mike hat mir erzählt, dass er hat mit unserer Plattenfirma gesprochen hat und die hatten ihm mitgeteilt, dass schon jetzt die Verkaufszahlen von „Soundchaser“ übertroffen wurden.

FFM-Rock:
Also ist die Resonanz dementsprechend auch  hervorragend?!

Peavy:
Zahlen kann ich nicht sagen, aber wie die Plattenfirma das jetzt rüberbringt, sind die wohl höchst zufrieden damit.

FFM-Rock:
Könnt Ihr uns mal eine lustige Anekdote von einem Gig oder aus dem Proberaum zum Besten geben, die noch nicht veröffentlicht wurde?

Peavy:
… aus dem Proberaum?…

FFM-Rock:
Also, die DORO hat uns zum Beispiel letztens erzählt, dass sie mal nackt geprobt haben und dann auf den Verstärkern eingeschlafen sind … da haben wir uns erst mal angeguckt und gesagt: Logisch wollten sie alle nackt proben! Vor allem die Jungs! Könnte ja sein, dass Ihr da so was habt, wo man sich noch nach Jahren darüber ausschütten könnte vor Lachen …

Peavy:
Mir fällt nichts ein! Außer, dass ich mal eine Zeitlang im Proberaum gewohnt habe, früher mal, als mein Vater mich zu Hause rausgeschmissen hat … ist wohl eher wenig interessant … ist lange her, mein Vater ist schon 15 Jahre tot. Das war in der Anfangszeit  …

FFM-Rock:
Die Eltern haben es also wenig akzeptiert?!

Peavy:
Mein Vater hat es eigentlich gar nicht  akzeptiert … so am Schluss, kurz bevor er gestorben ist, als er gemerkt hat, dass ich davon lebe, war es dann schon o.k. Aber ich glaube, musikalisch hat er es nicht verstanden … Mein Vater war so ein reiner Klassiker. Renaissance-Musik war sein Ding. Mit so einem Krach konnte er irgendwie nicht so viel anfangen.

FFM-Rock:
Hast Du irgendwas auf dem Herzen, was Du unseren Lesern mitteilen möchtest?

Peavy:
Ich möchte mich auf jeden Fall bedanken bei den Rage-Fans, bei den Leuten, die uns halt die ganzen Jahre am Laufen gehalten haben. Mir ist völlig klar, dass es uns ohne die ganzen Leute, die die Platten gekauft haben und zu unseren Konzerten kamen, heute nicht mehr gäbe und ich wahrscheinlich etwas anderes machen müsste.

FFM-Rock:
Vielen Dank für das Interview und wir hoffen, es war nicht zu langweilig für Dich. Für uns war es sehr informativ. Ja, dann wünschen wir Euch mal einen knalligen Abend. Wir machen schöne Fotos und stellen diese auf unserer Seite ein.

Peavy:
Wenn Ihr schöne Fotos habt und an unsere Website schicken mögt – der Webmaster freut sich immer. Der sammelt immer aktuelle Bilder von der Tour. Wir machen da so einen Tour-Report. Da kommen wieder neue Sachen rein.  Es gab da so eine haarsträubende Story nach Paris an unserem Day off in Saarbrücken vorgestern. Unsere Jungs von der Vorband, von Dead Soul Tribe, die haben da irgendwie das ganze Hotel auf den Kopf gestellt. Mit unserer Crew haben die schönen Mist gebaut …

O.K., dann vielen Dank, dass Du Dir Zeit genommen hast!
Stefan und Dirk von FFM-Rock

Foto Dirk Menzel

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