Premiere der Dokumentation von "Die Kinder der toten Stadt"

Erinnerungskultur in Schule: eine Filmdokumentation
Filmteam begleitet mehrere Klassen der IGS Krummhörn-Hinte bei ihrer Inszenierung des Theaterstücks DIE KINDER DER TOTEN STADT

Oktober 2021. Die Uraufführung der Doku fand im beeindruckenden und für das Thema auf unheimliche Weise passenden Kultur-Gulfhof-Freepsum statt. Also genau dort, wo auch der Spielort der Aufführungen hätte sein sollen. Hätte, wenn der Lockdown das ambitionierte Schulprojekt nicht auf eine ganz andere Reise geschickt hätte.

Die ursprünglich für Juli 2020 geplante Premiere wurde erst auf das Jahr 2021 verschoben und durfte dann auch in diesem Jahr nicht realisiert werden. Die Theaterarbeit musste aufs Eis gelegt werden. Die Enttäuschung bei den Schülerinnen und Schüler, ihren Lehrern und den rund 100 Menschen, die zum erweiterten Team zählen, war groß. Ein Glück, dass die ganze Arbeit filmisch dokumentiert wurde und jetzt viele Ideen der Inszenierung, aber vor allem Interviews der Teilnehmenden im Film zu sehen und zu hören sind. Außerdem sind einige Szenen aus dem Stück zu
sehen, so dass man einen ungefähren Eindruck der fertigen Aufführung bekommen kann – und auch die Interpretationen der jungen Menschen, die alle keine Gesangsausbildung haben und ihre Aufgabe trotzdem mit Bravour bewältigen.

Worum geht es? DIE KINDER DER TOTEN STADT basiert auf einer wahren Begebenheit:
Im Juni 1944 besucht eine Delegation des internationalen Roten Kreuzes das Ghetto Theresienstadt, um sich von den Nationalsozialisten täuschen zu lassen und eine „ganz normale Stadt“ vorfanden. Im Vorfeld wies die SS an, dass das komplette Ghetto „verschönert“ werden solle. Plötzlich gab es Kaffeehäuser, einen Musikpavillon und Sportveranstaltungen. Der Komponist Hans Krasa, ebenfalls ein Gefangener, wurde beauftragt, seine Kinderoper „Brundibar“ vor den Gästen aufzuführen. Alle daran beteiligten jungen Darstellerinnen und Darsteller hatten die Hoffnung, dass die Rotkreuz-Mitarbeiter den Betrug erkennen mussten und helfen würden. Ein fataler Irrtum! Wenige Monate nach der Aufführung wurden nahezu alle, die an der Aufführung teilhatten, nach Auschwitz gebracht ...

Geschrieben wurde DIE KINDER DER TOTEN STADT von Thomas Auerswald, die Musik stammt von Lars Hesse, das zum Theaterstück gehörende pädagogische Konzept wurde speziell für Schulen von Dr. Sarah Kass entworfen, der Leiterin des Deutschen Instituts für Erinnerungskultur in Paderborn. Uraufgeführt wurde das Werk 2019 in Frankfurt. Inzwischen hat es mehrere Inszenierungen erlebt.

Auch die IGS Krummhörn-Hinte in Niedersachsen wollte sich hier einreihen. Schnell entstand eine Kooperation der Schule mit der Ländlichen Akademie Krummhörn-Hinte und seinen semiprofessionellen Schauspielern sowie dem Kultur-Gulfhof-Freepsum als Aufführungsort. Geleitet wurde das höchst professionell geplante Gesamtprojekt von Tillmann Kleemann-Anders und Leona Brügge. Sieben Kinder-Hauptrollen sowie der Kinderchor wurden komplett aus den Klassen gecastet. Christine Schmidt übernahm die Regie. Die bekannte ostfriesische Schriftstellerin Gesine Janssen sollte eine Erwachsenenrolle spielen. Ein extra für das Projekt gegründete Kammermusikensemble ergänzte die Schulrockband. „Ganz entscheidend war für uns“, so Kleemann-Anders, „die genrationsübergreifende Zusammenarbeit. Es sollte sowohl für die Schule als auch für die Region eine wichtige Veranstaltung sein.“

Deshalb wurde das Theaterspiel auch in das laufende Schuljahr 2019/2020 eingebettet. Eine altersübergreifende Gruppe aus Schülerinnen und Schülern der Jahrgänge 5 bis 12 beschäftigte sich mit dem Schwerpunktthema „Kinder im Holocaust am Beispiel des Ghettos Theresienstadt“. Was lag also näher als an einem Theaterstück zu arbeiten, dass genau hiervon handelt.

Der Schule war es wichtig, das Musiktheaterprojekt inhaltlich und historisch auf solide Beine zu stellen. Deshalb haben Leona Brügge und Tillmann Kleemann-Anders mit den Schülerinnen und Schülern u. a. eine Gedenkstättenfahrt zur Wewelsburg unternommen, das ehemalige Konzentrationslager in Ostwestfalen. Die Workshops dort wurden von Reinhard Fromme, dem pädagogischen Leiter der Gedenkstätte, und Dr. Sarah Kass geleitet. Neben der Heranführung an das sensible Thema und sehr vielen intensiven Gesprächen gab es noch einen zweiten Effekt: Die Auseinandersetzung mit der Thematik ließ die Schülergruppe eng zusammenwachsen. Im Laufe des Jahres gehörte auch ein Tag in einem richtigen Musikstudio mit dem Komponisten Lars Hesse sowie ein mehrtägiger Theater-Workshop mit dem Autor Thomas Auerswald zum Unterrichtsplan.
„Dies alles hat die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler vorangebracht und gezeigt: Wir wurden alle zu einem großen Team“, so Kleemann-Anders. Doch dann kam der Lockdown und hat die Pläne, das gut anderthalbstündige Stück mit viel Herzblut auf die Bühne zu bringen, zum Scheitern verurteilt. Gut, dass jetzt die Filmdokumentation einen umfassenden Einblick in die gut anderthalbjährige Arbeit
aller Beteiligten gibt. Interessant ist sie vor allem auch für Lehrerinnen und Lehrer, die auf der Suche nach einem Theaterstoff für ihre Klassen sind, der eine aktuellen Bezug zum Unterrichtsstoff hat – und zur einem wichtigen aktuellen gesellschaftlichen Thema: dem Kampf gegen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit und für die Toleranz.

Das Video ist ab dem 22. Oktober auf dem YouTube-Kanal des Die-Kinder-der-toten-Stadt-Projekts zu sehen. Dort gibt es auch Einblicke in die anderen Inszenierungen sowie Videos zur Arbeit am gleichnamigen Hörspiel.

Kontakt:
Deutsches Institut für Erinnerungskultur
Dr. Sarah Kass
Penzlinger Straße 31
33102 Paderborn

www.diekinderdertotenstadt.de
www.difek.de

Quelle: Deutsches Institut für Erinnerungskultur