BLUE ÖYSTER CULT - Ghost Stories

04 böc

VÖ: 12.04.2024
(Frontiers Music)

Genre: Classic/Psychedelic/Hard Rock

Homepage:
BLUE ÖYSTER CULT

„Läuft bei denen“ kann man den New Yorkern nur bescheinigen, die man vor ein paar Jahren noch abgeschrieben hatte. Zu wenig war zu hören von dieser Rocklegende, die Liveauftritte in den Staaten hatten nicht mehr die Energie. Doch 2020 kam nach fast zwanzig Jahren wieder ein neues Album auf den Markt, nach der Pandemie waren BLUE ÖYSTER CULT wieder in Europa unterwegs und zum Jubiläum stellte man eine interessante Konzertreihe auf die Beine, die teilweise auf DVD aufgezeichnet wurde. Nun hat man in den Archiven gekramt und geschaut, was da noch an Songs schlummert und diese aufwendig restauriert und als „Ghost Stories“ veröffentlicht.

Dabei wurden die alten Aufnahmen von George Geranios, die in den Jahren 1978-83 entstanden von Gitarrist/Keyboarder Richie Castellano zusammen mit Produzent Steve Schenk auseinander genommen, remixt und wieder zusammen geschraubt, wobei Ersterer ein paar Stellen ausbesserte. Was sich am Ende positiv auswirkt, denn so klingen sie mehr aus einem Guss, sind klanglich homogener. Ihre Entstehungszeit hört man den Nummern an, wenn man sich im Kosmos der Band ein wenig auskennt.
Bekannt dürften einem nur die beiden auf der Livescheibe „Some Enchanted Evening“ befindlichen „We Gotta Go Out of This Place“ und dem gewohnt punkigen MC5-Motto „Kick Out The Jams“ vorkommen. Von den live gerne gecoverten Stücken fehlt lediglich der „Roadhouse Blues“, welcher auf „On Your Feet Or On Your Knees“ zu hören war. Dabei mangelt es sicher nicht an DOORS-Momenten auf der Kollektion, überraschend, dass diese vor allem in der angesprochenen ANIMALS-Nummer vorkommen.

Diese klingt deutlich gesetzter als in der Bühnenversion, gerade die Bridge ist nicht so aggressiv. Dafür steigt der Kontrast der Lässigkeit der Strophe mit ihrem rhythmischen Thema und der gespenstischen Orgel gegenüber dem hymnischen Refrain. Darin war der Blaue Austernkult schon immer sehr stark, urwüchsigen Rock mit arenentauglichen Melodien zu versehen. Für Freunde genau jener Orgeltöne gibt es direkt im Anschluss noch „Soul Jive“, bei dem sie der leider mittlerweile verstorbene Allen Lanier über ein markantes, schweres Riff legt. Den Chorus flankieren die sechs Saiten mit verspielten Leads flankiert und laufen im Solo zu Hochform auf.

Schnell wird bei vielen Kompositionen klar, aus welchen Sessions sie entstammen, da BLUE ÖYSTER CULT ja stets im Wandel waren. Schwerfällige Rocker mit interessanten Pianomotiven wie dem Opener „Late Night Street Fight“ dürften so in die Entstehungsphase von „Mirrors“ oder „Cultösaurus Erectus“ zu verorten sein. Hier ist es schade, dass der jazzige Auftakt von „Shot In The Dark“ nicht konsequenter durchgezogen wird. Manches ist sicherlich nicht voll ausgereift, viele Stücke gehen fragmentarisch bei drei Minuten ins Ziel. Damals wäre sicher der ein oder Schlenker eingebaut worden, doch die hohe songwriterische Qualität ist nicht von der Hand zu weisen.

„Cherry“ könnte mit seinem rock´n´rolligen Thema als kleine Schwester von „ME262“ durchgehen. Hier überraschen Hammond, die „OhOh“-Chöre, die eine ungewöhnlich fröhliche Stimmung herein bringen. Dem Erfolgsalbum „Fire Of Unknown Origin“ dürfte der eingängige und flotte Rocker „Gun“ zuzurechnen sein, bei dem oben erwähnte Trademarks voll zur Geltung kommen. Mit weinendem Mellotron und anderen Synthesizerklängen eröffnet „The Only Thing“, der funkige Bass ist Zeichen seiner Zeit. Im weiteren Verlauf wandelt sich der Song zu einer Ballade in der Tradition von „Nosferatu“ oder „I Love The Night“.

Unschwer an den Credits zu erkennen sind die Lieder, bei denen Rick Downey das Schlagzeug übernahm. Wie auf „The Revölution By Night“ wird es in „So Supernatural“ etwas länger und zäher, wodurch sich aber die Atmosphäre richtig entfalten kann. Gerade die Harmonien waren bei den Aufnahmen sehr präsent, gleißende Riffs verschmelzen mit den unterschwelligen Synths. Den AOR-Faktor jener Scheibe transportiert „Don´t Come Running To Me“,das nach einer ruhigen Strophe ausbricht. Beide Tunes in dieser ursprünglichen Fassung lassen erahnen, wie sich das 83er-Album ohne den aufgeblähten Sound von Bruce Fairbairn angehört hätte.

Abgerundet wird „Ghost Stories“ vom akustischen, 2016 aufgenommenen „If I Fell“, dessen Satzgesang an „In Thee“ angelehnt scheint. Eine wundervolle Zeitreise in die Glanzphase der Band, Kleinode die zu lange im Verborgenen schlummerten. Die jetzt veröffentlichten Versionen können aktuelle Produktionsstandards bedienen, alles wurde druckvoll und angenehm wenig komprimiert aufbereitet, wobei von den Klangfarben her schon das Originaldatum durchscheint. In der Gesamtbetrachtung eigentlich ein vollständiges Werk, welches vor vierzig Jahren erschienen, sicher eine gute Position im Backkatalog verdient hätte.

8 / 10

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