PRAYING MANTIS - Defiance

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VÖ: 19.04.2024
(Frontiers Music)

Genre: Hard Rock/Melodic Metal

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PRAYING MANTIS

Es scheint aktuell wirklich wie am Schnürchen zu laufen bei den MWOBHM-Veteranen, so einen kurzen Zeitraum zwischen zwei Veröffentlichungen gab es seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr. Die Releaseschlagzahl ist so hoch wie in den frühen Neunzigern, wobei da auch einiges auf Halde lag, wie es nun nach der Pandemie der Fall sein dürfte. Helfen tut PRAYING MANTIS dabei sicher das seit zehn Jahren stabile Lin-Up mit den beiden Holändern. Mit Hans In´T Zandt haben sie einen Schlagzeuger in den Reihen, der schon bei VENGEACE Erfahrungen sammelte wie man Bands antreibt die stets kommerziell unter ihren Möglichkeiten blieben und John „Jaycee“ Cuijpers ist ein Frontmann vor dem Herrn. Vielleicht haben die Troy-Brüder im Herbst ihrer Karriere die beste Zeit, „Defiance“ bringt ihre Formation weiter nach vorne.

Schon auf dem Vorgänger „Katharsis“ fiel der druckvollere Sound auf, der ein wenig an die heutigen Hörgewohnheiten anknüpft im Gegensatz zu etwas dünneren Klanggewändern der Vergangenheit. Passend dazu gibt es ein reichlich futuristisches Artwork, die Ära der Rodney Matthews-Paintings scheint endgültig vorbei, auch wenn die Fangschrecke weiter das Gesicht bildet. Umso mehr überrascht der vermehrte Einsatz von Keyboards, die dienen jedoch eher dazu alles noch runder und voluminöser zu gestalten.

Gleich im Opener „From The Start“ haben sie ihren ersten Einsatz, wenn sie das Grundriff und die Bridge stützen. Das man in der Strophe die Power etwas zurück fährt, mit interessanten knalligen Grooves arbeitet und sehr hymnisch agiert lässt allerdings die Scheibe näher an den AOR rücken. In der Tat wird hier mehr denn je gen Amerika geschielt, wobei ich es seltsam finde, einen Markt zu bedienen, der vor mehr als dreißig Jahren nach solchem Material verlangte. Auch wenn viele Soli sehr melodisch angelegt sind, ist das Interesse eher gering MAGNUM beerben zu wollen.

Die Melancholie von THIN LIZZY ist ebenso nicht mehr so prägend wie bei den vorherigen Platten. Lediglich „One Heart“ und der Schlussakkord „Let´s See“ beinhalten die alten Trademarks. Ersterer weiß halbballadesk zu überzeugen, die akustischen Gitarren sind toll eingespielt und fein arrangiert. Teils paaren sie sich mit den Synthesizern oder setzen Kontrapunkte in den warmen Leadfills. Jene fallen im Rausschmeißer noch markanter aus, führen den Song nach vorne und eröffnen Weiten wenn die Dynamik danach verlangt, zu welcher Chris Troy an den vier Saiten zusätzliche Wärme reinbringt.

Leadgitarren waren schon immer eine bestimmendes Element und finden auch in Stücken der neuen Ausrichtung Verwendung. Dem Titeltrack verpassen sie eine schöne Atmosphäre, hier gewinnt die zurückgenommene Strophe und die mehrstimmigen Backingchöre krönen das Ganze. Noch dicker fallen die Chöre in „Give It Up“ aus, das kraftvoll nach vorne rockt, dessen Refrain eher in den späten Achtzigern anzusiedeln ist. Für den guten Jaycee eröffnen solche Nummern die Möglichkeit sein Organ noch besser in Szene zu setzen, so inbrünstig wurde noch kein PRAYING MANTIS-Werk eingesungen.

Das rückt ihn teilweise in die DIO-Richtung, nebenher covert er das Thema tatsächlich in mehreren Kapellen. Witzigerweise zollt der Fünfer aber hier RAINBOW in Form von „I Surrender“ Tribut, dem sie jedoch nichts Neues hinzufügen könne, zu ähnlich ist ihre Stilistik. Weite Hymnik ist man von beiden Truppen gewohnt, „Feelin´ Lucky“ transportiert ganz viel davon. Hier kommen die Tasten mitunter am prominentesten zum Zuge und setzen eigene Akzente anstatt nur zu untermalen. Und wie das Piano des knalligen „Never Can Say Goodbye“ perlt ist schon sehr stark, eine der besten Lieder der Karriere.

Etwas ungewöhnlicher klingt das dann bei „Standing Tall“, bei dem plötzlich programmierte Rhythmusspuren auftauchen, die an zeitgemäße Power Metalacts denken lassen. Wie bei denen wirken auch bei den Briten die Leadgitaren in dem Kontext seltsam geschliffen. Doch keine Angst, allzu weit rückt man von der Marschroute nicht ab. Als Singleauskopplung schielt man da sicherlich auf neue Hörerschichten, doch damit kreiert man neben der arg schunkeligen Ballade „Forever In My Heart“ den schwächsten Titel von „Defiance“.

Da ist mir das ruhige Instrumental „Nightswim“ deutlich lieber, dass auch ohne den Gesang von Cuijpers tolle Melodien bereit hält allemal lieber. Zudem offenbart sich mehr songwriterische Reife, die im Laufe des Drehers immer kleine Wendungen oder Arrangements in die angenehm knappen Stücke einbaut. Wer einen Schnellschuss befürchtete, der sieht sich eines Besseren belehrt, hier läuft die Maschinerie auf Touren. Mit den Konzerten im Frühjahr wird sich das Bandgefüge weiter verdichten, in dem Line-Up verschwand auch die frühere geringe Bühnenpräsenz.

7,5 / 10