THE TANGENT - To Follow Polaris

05 thetangent

VÖ: 10.05.2024
(Inside Out/Sony)

Genre: Canterbury/Progressive Rock

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THE TANGENT

Pünktlich alle zwei Jahre im Frühjahr beehren uns die britischen Canterbury Progger mit einem neuen Longplayer, mittlerweile ist das Dutzend voll. Für die nächste Ausgabe rotierte das Personalkarussell noch schneller als sonst, will heißen bis auf Mastermind Andy Tillison sind erstmal alle draußen. Was jedoch nicht als Option für die Zukunft gedacht ist, sondern als Notlösung da jeder mit anderen Projekten beschäftigt ist, weswegen auch Touraktivitäten kaum stattfinden. Unter dem Zusatz „For One“ nahm der Keyboarder als THE TANGENT „To Follow Polaris“ ganz im Alleingang auf und spielte jedes Instrument selbst ein.

Ans Schlagzeug hat er sich ja schon auf „The Slow Rust Of Forgotten Machinery“ gewagt, als er den Schemel seinerzeit nicht besetzen konnte. Man muss jedoch sagen, dass sein Talent anderswo größer ist, wobei er seine musikalischen Fähigkeiten ohnehin geringer als die seiner Mitstreiter einschätzt. Und wie auf besagtem neunten 2016 Album so ist auch heuer das Drumming so etwas wie die Problemzone des Werkes.
Das macht sich schon beim Opener „The North Sky“ bemerkbar, der eigentlich rockig treibend konzipiert war wie vieles auf dem „Not As Good As The Book“-Album. Klar kann er seinen bisherigen Schlagwerkern wie Morgan Ågren, Jaime Salazar, Zoltan Csörz, Paul Burgess und vor allem Gavin Harrison das Wasser reichen, dafür macht er seine Sache ordentlich. Er vermag nur eben keine Akzente zu setzen und wirklich mit dem Rhythmus zu spielen.

Da ist das andere Rhythmusinstrument deutlich prominenter vertreten und hält nicht einfach nur den Takt. Am Bass macht Tillison eine bessere Figur, wenngleich „To Follow Polaris“ nicht so funky ausfällt wie der Vorgänger „Song From The Hard Shoulder“. Lediglich das kurze, programmatisch „The Single“ betitelte Stück knüpft daran an, wobei die vier Saiten über den dezent souligen Gesang teils recht hektisch treiben.
Jene Vocals vermisste man in den letzten Jahren etwas, obgleich sie hier nicht so smooth rüberkommen wie weiland auf „Down And Out In Paris And London“. Auf dem jüngsten Output erinnert er sich wieder an diese Tugenden, „A Like In The Darkness“ blubbert gemächlich vor sich hin, das elektrische Piano hat seinen großen Auftritt. Und in „The Fine Line“ legen geben akustische Gitarren den Melodien mehr Raum.

Sonst neigt der Meister auch hier wieder alles ziemlich proggig und kauzig zuzukleistern. Schon im Mittelpart des angesprochenen Eröffnungstracks tobt sich der gute Andy an der Orgel aus wie weiland Keith Emerson, nimmt dann das Tempo heraus für eher sphärische Experimente. Den ganz großen Progreigen findet der Hörer im Longtrack „The Anachronism“, wobei jene Art zu musizieren für manche eben genau das darstellt.
THE TANGENT gefallen sich darin nach einem eher psychedelischen Auftakt plötzlich eine schöne Abfahrt herunter zu hauen, um dann ins jazzige abzugleiten. Solieren darf hier fast jedes Instrument und sich auch mal mit den Drums duellieren, wobei es gelingt denen doch griffige Arrangements abzuringen. Schwebende Momente münden gegen Ende in das Thema des Openers, dessen „Single Edit“ später dessen rockigen Phasen extrahiert.

Was „To Follow Polaris“ fehlt ist die Kunst alles ineinander fließen zu lassen. Andy Tillison produziert alleine ohne zweites paar Ohren ein wenig zu viel Stückwerk dass nicht immer zusammen kommen will, bei aller Qualität der unterschiedlichen Passagen. Interessant präsentiert sich mit „Tea At Betty Simulation“ der Bonustrack, der normalerweise eher elektronisch-ambient ausfällt.
Hier bekommt man genau das Gegenteil geliefert, reduzierter Jazz leitet ein, wobei hier die Bläser echter klingen als auf dem Rest des Albums, wo sie eher aus einer Soundbibliothek stammen dürften. In der Mitte wird noch die Marimba dazu addiert als Bindeglied zwischen den konzentrierten Progmomenten und anderen instrumentalen Werkschauen, bevor man zum sphärischen Ausgangspunkt zurück kommt.

7 / 10