DEEP PURPLE - =1

07 deeppurple

VÖ: 19.07.2024
(EAR Music/Edel)

Genre: Hard Rock

Homepage:
DEEP PURPLE

Wahrlich ein Zäsur in der ereignisreichen Karriere einer der größten Hard Rockformationen. In der Tat endete mit dem Ausstieg von Steve Morse nach zwanzig Jahren die langlebigste Besetzung. Jener wollte sich um seine kranke Frau kümmern und eine Pause machen, von der er nie zurück kam. Seine Ersatz Simon McBride wurde umgehend zum festen Mitglied befördert, wobei der vom Alter mindestens als Sohn der übrigen Mitglieder durchgehen könnte. Bereits auf der Bühne deutete sich an, dass der mit seinen 45 Jahren frischen Wind in die Band brachte, weswegen es Verschwendung gewesen wäre, mit dem Line-Up kein neues Studiowerk mehr einzuspielen. Eigentlich dachten viele „Infinity“ wäre der Schwanengesang gewesen, ein weiteres und ein Coveralbum später sahen sich DEEP PURPLE sich fast in der Pflicht nun mit „=1“ nachzulegen.

Das ist in der Tat kryptisch betitelt, die Musik hingegen weniger, denn selten kamen die Herren so auf den Punkt. Simpel und direkt ohne Schnörkel, im Ziel zwischen dreieinhalb und vier Minuten, mit einem ungeheuren Drive, als ob es die Granden der Szene nochmal allen beweisen wollen, dass sie das rocken nicht verlernt haben. Das erinnert von der Herangehensweise an „Abandoned“, das nach dem vielschichtigen „Purpendicular“ eine klare Kurskorrektur darstellte. Die Band steht seit jeher für beide Ausprägungen, hier kann man die Antithese zum verspielten „Turning To Crime“ vermuten. Oder zum letzten großen musikalischen Longplayer „Now What?!“, mit dem sich das neue Album das schlichte Artwork teilt. Dazwischen übernahm eher Ian Gillan mit seinem humoristischen Stil die Führung, der eher die Bar denn die große Bühne sucht.

Manifestieren tut sich der Unterschied natürlich im Spiel der beiden Sechssaiter, Morse war ein Virtuose an seinem Gerät, der immer kontrolliert agierte. McBride kommt deutlich erdiger und wilder um die Ecke, im Blues Rock geschult verleiht er der altehrwürdigen Formation eine gewisse Rauheit, weniger Maßanzug, dafür mehr Flanellhemd. Damit ähnelt er Ritchie Blackmore hörbar mehr, kein Wunder, dass sich kaum Titel aus der Morse-Ära in den jüngsten Setlists wiederfanden.
Dafür wurden aber Schätze wie „Anya“ ausgegraben, wobei allerdings dem guten Simon derartige Themen, die in der Folklore oder Klassik behaftet sind, bei seinen eigenen Kompositionen komplett abgehen. Er mag den Furor des sicher prägendsten Saitenhexers besitzen, nicht jedoch dessen Unberechenbarkeit und Ideenreichtum. Sein bis dato jüngster Nachfolger hat in der Disziplin nur ein paar interessante Licks zu bluesigen Leads anzubieten.

Mit Don Airey findet der neue Mann den richtigen Partner, mit dem er sich gegenseitig beflügeln kann. Bei genauerem Hinsehen ergibt sich da durchaus eine Selbstverständlichkeit, schließlich zockt er schon lange in der Soloband des Keyboarders. Dennoch überrascht wie sich die beiden die Call and Response-Spielchen in jedem zweiten Song um die Ohren hauen, da herrscht schon blindes Verständnis, wobei sich der Tastencrack nicht allein auf die Hammond konzentriert, mit der er viele Riffs in gewohnter Manier unterlegt.
Bereits im Opener „Show Me“ bietet er einen Einblick in die Klangwelt seiner Kurzweil-Synthesizer. Nicht nur mit ihm duelliert sich der Gitarrist, Ian Paice erweist sich bei „A Bit On The Side“ als ebenbürtiger Sparringspartner. Es ist schon beeindruckend, wie der Mann mit einem dreiviertel Jahrhundert auf dem Buckel die Kessel rührt. Gerne spielt er mal etwas hinterher, verschleppt das Tempo, um dann plötzlich fordernd zu überholen, nachzuhören in „No Money To Burn“.

Langzeitproduzent Bob Ezrin, ebenfalls ein Meister seines Fachs lässt viel vom Schweiß und Whiskey der Clubs, die bislang McBrides Heimat waren, ins Klangbild einfließen. Das kommt angenehm kantig daher, transportiert viele Siebzigervibes, erzeugt aber viel Druck, worunter die Feinheiten leiden. „If I Were You“ fehlt das Feeling und die Tiefe, die jene Ballade gebraucht hätten. Weder der Gesang, noch die melodischen Leads oder die Orgelschleier kommen optimal zur Geltung. Retten tun die Nummer die knalligen Arrangements, um sie ins Stadion zu verfrachten. Ähnlich angelegt möchte im Anschluss das lässig rockende “Pictures Of You“ ebenfalls in die „Perfect Strangers“-Arena einziehen. Hier gelingt die dazugehörige Disziplin Leadthema ins Solo überführen ebenso mit Bravour.

In der Tat bedarf es einiger Durchläufe, bis der Hörer die Details allesamt erfassen kann, wo sich anfangs alles etwas schematisch anfühlt. Mit „I´ll Catch You“ gelingt dann doch noch die Ballade, wo der neue Mann seine bluesige Seite am besten auslebt und sich im Ton der Wärme seines Vorgängers annähert. Gillan vermag mit seinen fast Achtzig dies gleichsam mit Leben zu füllen, ohnehin ist seine Leistung wieder nicht hoch genug zu loben.
Fast schon Ironie, dass man ihm, dem Verweigerer von Coverdale-Material die geradlinige Single „Lazy Sod“ untergemogelt hat, die fast schon Richtung WHITESNAKE tendiert. Am Ende grenzt bei „Bleeding Obvious“ die Spielzeit fast die sechs Minuten und liefert doch ein kleines Prog-Epos ab. Hier münden Abfahrten in ausufernde Soli, während die Riff-Seite die Metalschlagseite noch mehr betont als das was Fans der Truppe einst als Proto Metal feierten.
Jene liefert hier eine Langrille ab, die trotz der neuen Handschrift klar in ihrer Tradition steht und die Frische der Gigs gut konserviert. Sicher nicht das beste von DEEP PURPLE, als großes Alterswerk wird wohl „Now What?!“ in den Büchern Einzug halten. Doch es zeigt, dass die Besetzung keine Notlösung ist und musikalisch die Geschichte darin weiter zu schreiben vermag, die mit „=1“ nicht einmal enden muss.

7,5 / 10

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.