GOTTHARD - Stereo Crush

04 gotthard

VÖ: 21.03.2025
(Reigning Phoenix Music)

Genre: Hard Rock

Homepage:
GOTTHARD

Auch hier kam eine Band nach der Pandemie nur eher schwer wieder auf die Beine, wobei das letzte Album „13“ auch genau in jene unglücksselige Ära fiel. Allerdings muss man auch dafürhalten, dass Hauptsongschreiber Leo Leoni viel mit seiner Zweitband CORELEONI beschäftigt war und mit Album, Tour und Livealbum das komplette Programm absolvierte. Und mit dem Namen kann man sich eine Auszeit auch mal leisten, nachdem man Nic Maeder in den letzten zehn Jahren erfolgreich auf der Frontrolle etabliert hat. Von daher konnten es GOTTHARD etwas ruhiger angehen, um nun mit „Stereo Crush“ wieder durchzustarten.

Eigentlich sollte man froh darüber sein, dass die Herren ihre Batterien wieder aufgeladen haben und wieder beherzter zu Werke gehen. Doch so wie beim eröffnenden „AI And I“ hatte man sich das nicht vorgestellt. Beim Riff hat der gute Leo seine Les Paul ein paar Etagen tiefer gelegt und einen bislang von ihm nie gehörten Groove ausgepackt. Auch der fast schon Sprechgesang von Maeder irritiert ziemlich, das ganze kommt mir ein paar Spuren zu modern rüber.
Und Songs dieser Machart bestimmen den überwiegenden Teil der Scheibe, „Boom Boom“ klingt so ruppig wie es der Titel offenbart. Dafür verfügt er wenigstens über ein paar brauchbare Melodien, und das Orgelsolo weiß angenehm zu überraschen. Wer angesichts der Ausrichtung nun Neunziger schreit, der bekommt angesichts von ein paar Soundeffekten im rollenden „Devil I The Moonlight“ direkt die Bestätigung geliefert.

Bezug zur eigenen Historie gibt es natürlich auch, gänzlich neu erfunden habe sich die Eidgenossen nicht. „Dig A Little Deeper“ liefert den Kontrast zwischen den harschen Saitenanschlägen und cheesy Vocals, wie sie speziell in der poppigen Phase üblich waren. Und „Rusty Rose“ bemüht ganz offensichtlich die Fortführung von „Mountain Mama“, von der Dynamik, über das Grundthema bis hin Talkbox-Einsatz werden die selben Zutaten verrührt.
Wenn man sich dann mal dessen bedient, was die Truppe ursprünglich ausmachte, dann wird es wie im abschließenden „These Are The Days“ noch reichlich schunkelig. Daran ändert auch der tolle Einsatz der Mundharmonika wenig, die könnte man in anderem Kontext besser gebrauchen. Und selbst, wenn man bei „Thunder & Lightning“ mit einigen Leadfills und mainstreamigen Melodien aufwartet, lässt sich der zeitgemäße Anstrich nicht ganz kaschieren.

Vor jener Modernisierung sind nicht einmal die BEATLES sicher, deren „Drive My Car“ bekommt die volle Breitseite. Dabei könnten die rockigen Gitarren hier mehr glänzen als beim Original, während die Drums weit mehr fordern. Diese stehen zwar im Verlauf des Albums öfter im Mittelpunkt, der neue Skinsman Flavio Mezzodi agiert aber streckenweise zu monoton. Neben dem ersten Cover seit mehr als dreißig Jahren scheinen die Fab Four noch öfter auf „Stereo Crush“ durch. Bei „Liverpool“ nimmt man sich dankenswerter Weise etwas zurück und bringt tatsächlich deren Vibes rein, hier hat der einstige Mentor Chris von Rohr mitgeschrieben.

Zurücknehmen tun sich GOTTHARD ansonsten nur bei den obligatorischen Balladen, die jedoch keine Akzente zu setzen vermögen. „Burning Bridges“ ist zu Beginn vom Piano getrieben und steigert sich gegen Ende hin, was auch für „Life“ gilt, wo die elektrische Variante des Pianos zum Einsatz kommt. Die Siebziger-Vibes weisen auf die Zeiten hin, als der Retro-Trend der späten Achtziger in die Klänge der Neunziger mündete.
Wo wir bei der Frage nach dem warum wären, wieso schlägt man im Jahre 2025 diese Richtung ein, die einem nicht gut zu Gesicht steht? Klar sind die kurzen und kompakten Songs den heutigen Hörgewohnheiten angepasst, aber klanglich hinkt das ewig zurück. Sind die Schweizer nicht einst als Gegenpol zu derartigen Rockklängen angetreten? Ich hätte verstanden, wenn ihr Debüt damals so geklungen hätte, 1992 hätte es den Zeitgeist getroffen, aber jetzt?

6 / 10