RPWL - True Live Crime

04 rpwl

VÖ: 12.04.2024
(Gentle Art Of Music/Soulfood)

Genre: Art Rock

Homepage:
RPWL

Nachdem es vier Alben dauerte, bis die Freisinger überhaupt ein Livealbum aufnahmen, bekommen die Fans jetzt jedes Album nachträglich noch einmal als Liveversion spendiert. Mittlerweile gibt es mehr Livedokumente als Studioscheiben von ihnen, seit „Beyond Man And Time“ kommt regelmäßig die Vollbedienung in Bild und Ton. So verhielt es sich auch mit dem letzten Werk „Crime Scenes“, mit dem RPWL nach Jahren der Pandemie endlich wieder auf Tour gehen konnten. Dabei war vor allem der Erfolg im europäischen Ausland überraschend, dem zollten sie nun Tribut. De Boerderij im niederländischen Zoetermeer gilt gemeinhin als Progtempel Europas, dort gastierten die Art Rocker am 27. Oktober letzten Jahres, nun wird der Mitschnitt als „True Live Crime“ veröffentlicht.

Ich selbst war noch nie dort, habe aber viel Positives gehört, was sich hier soweit ich sehen kann nicht unbedingt bestätigt. Das Publikum wirkt sehr verhalten, es sind kaum mal Arme oben, auch vom Applaus kommt nicht viel rüber, selbst bei Singalongs, wenn die Band ruhiger spielt hört man das Auditorium nur schwach. Da erwarte ich von einem zweistöckigen Bau einfach mehr Atmosphäre, oder wurde die nur unzureichend eingefangen? Die Frage ist schwer zu beantworten, einfacher die Frage, ob es sonst viel zu meckern gibt, denn da fällt einem nicht mehr viel auf.

Das fängt schon beim Programm an, dass traditionell das neue starke Werk zum Auftakt komplett darbietet. Die morbiden Geschichten um Verbrechen aus Leidenschaft werden von dem auf sieben Mitglieder erweiterten Ensemble toll dargeboten. Sänger Jogi Lang führt mit seinen Ansagen durch das Programm. Ganz so geheuer scheint ihm das Geschehen, das er besingt nicht zu sein. Die Verlegenheit darüber kommt mit seiner sympathisch ungelenken Art sehr charmant rüber, immer mit dem nötigen Ernst, aber dennoch nicht ohne Augenzwinkern.

Allerdings scheint nicht er unbedingt im Mittelpunkt zu stehen, die Rolle kommt bei genauem Betrachten Kalle Wallner zu, der seine Gitarre ebenso zum Singen bringt und genauso viel Melodiereichtum in die Lieder einbringt. Das gilt sowohl für seine Leads als auch für seinen ausufernden Soli, bei denen er seine Sechsaitige immer hin und her wiegt oder bei den ganz langen Tönen hochreißt. Doch er weiß auch mal nach vorne zu gehen, einige proggige Riffs krachen ordentlich und werden von dem vielseitigen Drumming von Marc Turiaux fein akzentuiert.

Unterstützt wird die Atmosphäre von den beiden Damen im Background, Caroline von Brünken und Carmen Tannich bringen mit ihren weiten Tönen ein wenig floydsches Feeling hinein. Darunter liegen dann auch noch die Keyboards von Butsch, der stoisch seine beiden Arbeitsgeräte beackert. Dabei holt er aus den Nord-Teilen alle möglichen Töne heraus, von klassischem Synthesizer über Mellotron bin hin zu Orgeltönen. Wenn es dann so richtig in die Seventies geht wie bei „Another Life Beyond Control“, bei dem auch die beiden Damen ihre Solospots haben, kann er so richtig aus den Vollen schöpfen.

Wunderbar auch zu sehen, wie die Formation miteinander agiert, wie die Spielfreude gegenseitig ansteckt. Immer hat man ein Lächeln für den anderen auf den Lippen, gerade wenn sich Lang ebenfalls hinter die Tasten begibt und auf seinen Moogs weitere Zutaten zu dem dichten Sound beisteuert. Markus Grützner drückt die dicken Saiten sehr lässig, weiß damit noch mehr Tiefe zu erzeugen. Im Gesamtsound ist er angenehm präsent, und darf beim dezent elektronischen „Life In A Cage“ die zweite Axt bedienen. Hier verschmilzt alles wunderbar, auch weil das Septett sehr geschlossen musiziert und alles fein dosiert.

Das ganze Geschehen wurde klanglich auch sehr gut auf den Silberling gebannt, der Sound hat Druck, atmet jedoch an den entscheidenden Stellen. Neben den Liedern von der neuen Platte gibt es in der zweiten Hälfte ein Best Of-Programm, wobei sich das Set etwas kürzer gestaltet als bei der Tour im Frühjahr. „Hole In The Sky“ mit einem traumhaften Wallner und am Ende die Hymne „Roses“ sind natürlich obligatorisch. Optisch könnte es neben den zu seltenen Schwenks ins Publikum etwas mehr gehen, doch da bietet die Band auch wenig an.
Die Konzentration liegt gänzlich auf der Musik und das hat seinen Reiz, besonders bei den Nahaufnahmen. Die Lightshow macht mit der Leinwand im Hintergrund viel her, nur erlauben Clubs nicht immer diese zur Geltung kommen zu lassen. Ab und an überblenden die Strahler das Geschehen oder die Bilder sind farbstichig, doch die schönen stimmungsvollen Momente überwiegen. Wieder ein beeindruckender Beweis der Klangzauberei von Deutschlands führender Band in dem Sektor.

8 / 10

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