CARNIVORE A. D. - Kassel
Konzert vom 12.07.2024
Special Guests: IRON WALRUS, TORTUREBITCH
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CARNIVORE A.D.
IRON WALRUS
TORTUREBITCH
Recht früh bereits um 19:30 Uhr steht die erste Band auf der Bühne. Beim 2. Besuch von CARNIVORE A.D. aus New York City sind weniger Leute als beim 1. im Vorjahr 2023 in der maximal bis zur Hälfte gefüllten Goldgrube Kassel. Wenn dies Teil I der Nuclear Vacation Tour gewesen ist, folgt sicher Teil II, wann immer das nun auch sein wird, wohl allerspätestens im nächsten Jahr, vermutlich 2025?
TORTUREBITCH
Das Trio gehört zu der Sorte Bands, bei der eine halbe Stunde effektiver Spielzeit genügt, um alles zu sagen, was es zu sagen gibt. Eine Mischung aus scheppernd schnellem Hardcore-Thrash-Punkgebretter macht kräftig Laune und bringt das Publikum bei schnell weggezockten vor spöttischer Gesellschaftskritik überquellenden Nackenbrechern wie "Drop", "Social Waste", "Past Forward" oder "Lobotomy" auf Touren.
Die drei haben viel Spaß am Lärmen, was ihnen deutlich anzusehen ist, leben ihr Faible dafür voll aus. Obgleich von dem schnell gezockten Akkordegeschrammel nicht wirklich viel hängen bleibt, erfüllen TORTUREBITCH aus Grünberg in Hessen den Anheizerjob schon ganz ordentlich. Es war soweit ok.
IRON WALRUS
Das eiserne Walross bildet das Kontrastreiche Gegenprogramm zur Vorband, und hebt das Qualitätslevel richtig an, es regiert exakt das Gegenteil von schnell und rüpelig. Schleppend-heavy-monolithisch-erdrückend, bei schrittweise gesteigerter Geschwindigkeit inklusive beklemmender Spannung extrem griffig. Sludge-Doom-Noise-Metalwalzen vom Kaliber „Balanced“, „Tales Never Told“ , „Reborn“ oder „Take Care“ hallen brachial heavy, enorm druckvoll durch den Saal. Wirkten die Osnabrücker Sludge-Doomer IRON WALRUS während ihres ersten Goldgrube-Auftritts im November 2023 als Support der US-Okkultrocklegende COVEN bei überschauberer Besucherzahl stellenweise noch ein wenig unsicher, obwohl sie im weiteren Verlauf vom Set ihr Qualitätslevel steigerten, ging deren Gig so lálá durch. Zumindest blieb er einigen Besuchern, die mit dabei waren, dunkel in Erinnerung.
Diesmal können sich Publikumsresonanz inklusive unüberhörbarer Reaktionen auf das kraftvoll zubeissende eiserne Walross am 12. Juli 2024 in der Goldgrube sehen lassen. Das treu die Band nach Kräften unterstützende reichlich Stimmung machende Publikum geht vom Start bis Ende leidenschaftlich mit, es doomgroovt ausnahmslos monströs fett in der Goldgrube! Bei dieser gerade für beißenden Sludge-Doom ziemlich ungewöhnlichen wie ein Uhrwerk ungemein fließend rhythmisch laufenden Dynamik-Doom-Session fühlt sich die gesamte Band einschließlich ihres konzentriert ins Mikro röhrenden Sängers Aufi komplett bestätigt. Ein größeres Kompliment können weder Location noch Fans bekommen!
Wie sicher IRON WALRUS durch fleißiges Auftreten geworden sind, zeigte dieser erinnerungswürdige Gig, der alle Stärken einer harmonierenden Band bündelte.
CARNIVORE A.D.
sind wie schon das Original provokativ bis zum Anschlag, was weniger ihrer Optik geschuldet ist, sondern vielmehr dem verbratenen Songmaterial und kommen wie der Bandname sagt (im Namen des Herrn) 2024 dereinst zurück nach Kassel.
Wer das umstrittene TYPE O' NEGATIVE-Debüt 'Slow, Deep and Hard' und Pete Steeles Vorgängerband CARNIVORE sowie deren 1985 - 1987 erschienenen 'Carnivore' und 'Retaliation'-Albumreleases schon damals nicht mochte wird beidem heute genauso ablehnend gegenüberstehen. An hohnspottend zynischer Gesellschaftskritik mangelt es dem Trio CARNIVORE A.D. bei dem musikalischen Erbe sowieso nicht, dafür spricht allein die Vielzahl wertigen SongMaterials des legendären allerdings nicht unumstrittenen Originals. Die Setlist blieb inklusive JIMI HENDRIX-Cover „Male Supremacy“ bis auf einen Song unverändert. Dass der „Untermensch“ gebracht wird, macht nachdenklich, ist und bleibt grenzwertig. Meistens geht's bei CARNIVORE A.D. originalgetreu brachial heftig tempoforciert aggressiv zur Sache. Deutlich angeprangerter Religionsmisbrauch („Angry neurotic Catholics“, „God Is Dead“) bekommt völlig mit Recht einschließlich zwecks Untermauerung solch deftig provokanter Statmentens gehöriger Faustgestiken sein Fett weg. Intoleranz („Zero Intolerance“) Rassismus („Jesus Hitler“, „Race War“) Sexismus („Sex and Violence“) und Weltkriegsszenarien ernten garstig-zynisch geäußerte Kritik („World War III & IV“).
Eine Handvoll Violent-Dancer trübt das Gesamtbild etwas, obgleich das räudig rumpelnde Trio bestehend aus CRUMBSUCKERS-Gitarrist Chuck Lenihan, Ex-SHEER TERROR-Sänger/Bassist Baron Misuraca (heute DARKSIDE NYC) und Ex-MASSACRE/ WHIPLASH-Drummer Joe Cangliosi abgefeiert wird, hinterlässt solche Art zu tanzen trotz starkem Headlinerauftritts bitteren Beigeschmack. Musikalisch sind CARNIVORE A.D. als ausgereifte Crossover/Punk/Speed/ Thrash-Mischung weiterhin brückenbildend 1:1 dem Spirit vom Stilprägenden Original entsprechend für die das Etikett 'Provokation' kein Fremdwort ist. Stücke der Liga „World War III“ sind aufgrund momentan poltischer Lage aktueller denn je, bei der Hymne „Sex and Violence“ geht der Saal extrem steil. Soundtechnisch druckvoll und leicht schrammelig abgemischt bringt das Trio die Anhängerschaft zum Headbangen, Faustrecken und Mitgröhlen. Zwischendurch gibt sich der Baron im Zeichen des kritischen Umganges mit der verbratenen Thematik nachdenklich. Um Baron Thorn Musuraca der gewohnt sicher das Wort führt, bildet sich eine Menschentraube, die den freundlich-muskulösen Bandleader für sein Wirken schätzt. So streng, respekt einflößend, konzentriert ernsthaft und düster er auf den ersten Blick wirkt, so ungekünstelt konsequent ehrlich, einen Pool in sich gekehrte Ruhe nach außen abstrahlend gibt sich der CARNIVORE A.D.-Bassist/Sänger im Gespräch. Am Ende bekommen mehrere Leute des gut aufgelegten, für die tolle Publikumsresonanz auf den Gig dankbaren Barons kräftige Hand geschüttelt.
Diesmal bekomme ich sogar die ganze Band, sogar mehr als Kopf, Muckis und den in die Luft gestreckten Arm von Baron Misuraca, einer das Erbe seines Vorbildes konsequent weiterführenden Persönlichkeit, deren über den Hintern gehende kohlrabenschwarze Langhaarmähne mittlerweile fast zum Boden herab reicht, auf den Fotospeicher. Der Baron dankt dem Publikum in Kassel am Ende gleich mehrfach für's Erscheinen und fleißige Unterstützung und zeigt sich bei aller extrem provokanten Gesellschafstkritik als freundlicher Zeitgenosse.
Nach dem Gig gegen 23:00 Uhr wandern gleich mehrerere CARNIVORE A.D.-Shirts und wieder neu aufgelegte 80er-CARNIVORE-Shirt-Klassiker über den Verkaufs-Tresen. Daran zeigt sich umso mehr, dass weder das Original vergessen ist, noch dessen Erben ihren Reiz verloren haben, die das Legat gewissenhaft konsequent authentisch provokativ zynisch verwalten.
Fazit: Ein deftig schräges Package, dass den Eintritt wert war, erheblich Gemüter spaltetend gerade möglicherweise deswegen sein ganz spezielles Fanklientel in die Grube zog. Gar nie wohr... - Och Jooo?