SwedenRock Festival - Sölvesborg

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swedenrock plakatKonzert vom 08.06 - 11.06.2022

Mit GUNS ´N´ ROSES, IN FLAMES, VOLBEAT, NIGHTWISH, u.v.a

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SWEDENROCK

Endlich war es wieder soweit, Festivals konnten nach zwei Jahren Pandemie wieder stattfinden. Wobei ich ja im sozial-liberalen Schweden weniger Angst vor einer kurzfristigen Absage hatte als hierzulande. Mit dem SwedenRock stand eines der renommiertesten und größten Festivals Europas auf dem Programm, das vom 08. Bis zum 11. Juni im südschwedischen Sölvesborg direkt an der Ostsee stattfand. Wo sich andere Open Airs auf ein bestimmtes Genre festlegen wollen, gibt man sich hier stilistisch sehr offen und hat von soft bis hart, von direkt bis abgefahren und von Newcomer bis altgedient alles auf dem Speiseplan, was die Rockmusik aktuell hergibt. Im Norden ist das Happening ohnehin Volksfest, welches jedes Jahr ausverkauft ist. So war FFM-ROCK in diesem Jahr erstmals am Start.

Klar ist der Weg dorthin beschwerlich, mit Redakteuren von anderen Magazinen wurde in Etappen angereist. Die erste führte montags nach Meck-Pomm, wo man die Nacht in einem Ferienhaus verbrachte. Dienstags ging es über die See, bevor man dann am Abend Quartier bezog. Unser Redakteur Rainer Petry zog einen regulären Campingplatz vor, weil der mehr Komfort bietet und etwas abseits des Geschehens liegt. Schwimmen kann man ohnehin überall, das durfte erneut nicht fehlen, und so kalt war das Wasser nicht mehr.
In dem Jahr ging es etwas früher los, der Mittwoch wurde ausgebaut, statt drei wurden nun vier Bühnen bespielt, zudem waren die ersten Töne schon vor zwei Uhr zu hören anstatt um halb vier. Da das Festival nicht auf den Nationalfeiertag am 6. Juni fiel, gab es keinen Act, welcher mit einem Set um die Nationalhymne eröffnen durfte.


Mittwoch, 08.06.2022

VA ROCKS (Silja Stage)
So war es dem schwedischen Trio vorbehalten, den Startschuss zu setzen. Natürlich war die Euphorie groß als nach drei Jahren wieder Livemusik durch die Norje Bucht schallte, so viel war an der zweitkleinsten Bühne nur selten los in den folgenden Tagen. Nach dem Corona-bedingten Aus für den PA-Verleiher 4Sounds wurden diese Bretter nach eine Schifffahrtgesellschaft benannt, die viele der 40.000 Gäste dorthin brachte.
Mittelpunkt der Show war sicherlich Frontfrau Ida Svensson Vollmer, die ihren Expander kraftvoll traktierte und ihre Vocals schön rau hinaus schrie. Wobei Mittelpunkt nun nicht so passt als Begriff, denn sie nahm am linken Bühnenrand Platz. Auch wenn die Bretter die man bespielte nicht die längsten war, klaffte in der Mitte doch ein Loch, welches der neue männliche Schlagzeuger nicht zu stopfen vermochte.

Gab die gute Ida eher ein kerniges Bild mit engen Hosen und Body sowie Jeansjacke ab, so setzte Bassistin auf der rechten Außenbahn eher auf Chic. Die Fransenjacke war durch den transparenten Korpus des Langholzes gut zu sehen. Leider zogen sich die Gegensätze nicht an, so dass gerade Wedding zu lange auf ihrer Position verharrte. Ihre Kollegin unternahm öfter Ausflüge an die Seiten der Bühne vor den Boxenwänden und einmal sogar in den Fotograben, wo sie direkt vor der Menge solierte.
So musste die frühere Schlagwerkerin Frida Rosén das ganze zusammen halten, als sie für drei Titel zu ihren alten Freundinnen stieß. Optisch setzte sie mit schwarzem Lederkleid, pinken Haaren und ebensolchem Schleier dem Ganzen die Krone auf. Doch mit ihrer Unterstützung und ihrem Enthusiasmus gelang es endlich Verbindung zueinander aufzubauen, die sich dann noch mehr auf das Publikum übertrug.

In kleinen Clubs wären VA ROCKS besser aufgehoben gewesen, zumal sich ihr Riff Rock zu sehr an THUNDERMOTHER anlehnt. Da kann vor allem bei Vollmer die Attitüde stimmen, die herrlich rotzig daher kam. Ihre Licks schüttelte sie lässig aus dem Ärmel und drückte die Saiten schön nach vorne. Doch Titeln aus ihrem Album „I Love VA Rocks“ wie „The Code Of The Road“, „No More Fucks To Give“ oder „Here Comes Trouble“ fehlt das gewisse Etwas, um aus deren Schatten heraus zu treten. Abgefeiert wurden die Mädels dennoch, zu lange musste man auch darauf warten.

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FREEDOM CALL (Rock Stage)
Die nächste Ehre wurde den deutschen Power Metallern zuteil, die als erste Band überhaupt mittwochs die zweitgrößte Bühne entern durften. Und bei der sich immer mehr heraus wühlenden Sonne konnte ich mir keine bessere Gruppe vorstellen, welche das typische Festival-Feeling vermitteln konnte. Manch einer mag ihre Songs durchaus käsig nennen, an so einem Tag zu so einem Anlass kommt genau das gut. Zumal die Refrains nicht schwer wie der Käse im Mage lagen, sondern ganz leicht ins Ohr gingen. Mit derartigem europäischen Metal kann man im Land der Elche durchaus Staat machen und FREEDOM CALL nutzten ihre Chance.

Mit zunehmender Spieldauer fanden sich immer mehr Leute ein, was nicht nur daran lag, dass sich das Gelände füllte, sondern dass die Stimmung auch bis weit weg von der Bühne schwappte. Chris Bay hatte sein Publikum voll im Griff, animierte es immer wieder und war ständig auf der Rampe vorne zu finden, so dass er es oft gerade rechtzeitig zu seinen Einsätzen zurück schaffte. Klar ist der Metal, der gerne von Schlösser und Feen singt ein Stück weit Eskapismus, gerade deswegen war er an dem Tag so wichtig, dass man als Zuschauer mal alles an schlechten News hinter sich lassen konnte.

Neben Bay grinste speziell Bassist Francesco Ferraro mit ihm um die Wette und nutzte die Größe der Bühne ebenfalls aus. Lars Rettkowitz konzentrierte sich ein wenig mehr auf sein Spiel und seine Soli, kam aber mit nach vorne, wenn die ganze Truppe sich vorne aufreihte. Mit Timmi Breideband fand man auch jemanden, der alles zusammen zu halten wusste, auch wenn seine Bassdrum zu dominant war. Die Soundprobleme mit zu viel tiefen Frequenzen bekam man auf der Rockstage leider bis zum Ende nicht vollständig in den Griff. So blieben Teile des guten Zusammenspiels auf der Strecke, was die Band aber mit ihrer Spielfreude wettmachen konnte.

Dazu hatte man von fast allen Alben etwas im Gepäck, damit für jeden was dabei war. Die Leidenschaft der Musiker griff auf das Publikum über, welches sich über die feine Mixtur aus mitsingkompatiblen Liedern und knackigen Riffs zum Bangen freute. So wenig sie die Klischees ernst nehmen, so gerne bemühen die Deutschen diese. Bay ist Metaller durch und durch, auch wenn Kritiker das gerne anders sehen.
Wenn er da oben stand und verkündete, es wäre Friede auf Erden, wenn es nur noch Metaller geben würde, dann meinte er das verdammt ernst, nicht nur als Floskel. Mit solchen Statements holt man das Publikum natürlich ab, das diese Aussage lautstark feierte. Es für eine eher kleine Combo schön zu sehen, dass sie auf so einem Event richtig abzuräumen wusste und das erste Ausrufezeichen setzte.

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Setlist FREEDOM CALL:
Union Of The Strong
Tears Of Babylon
Spirit of Daedalus
Sail Away
M.E.T.A.L.
Freedom Call
Power And Glory
Metal Is For Everyone
Warriors
Far Far Away
Land Of Light

JEAN BEAUVOIR (Sweden Stage)
Ganz so großes Kontrastprogramm legte der ewige Paradiesvogel nicht nach, auch bei ihm blieb es in der melodischen Schiene. Zu Beginn setzte es eine Reihe von Songs aus der CROWN OF THORNS-Ära wie „Dying For Love“ oder „Hike It Up“. Hier zeigte sich wie sehr das soulige Organ von Beauvoir die Songs prägte und dem Hard Rock eine interessante Komponente hinzu fügte. Nicht nur war er bestens bei Stimme, auch seine Mitstreiter wie der BLACKFOOT-Gitarrist Tim Rossi beschertem ihm eine sehr tighte und gefühlvolle Performance. Die warme Stimmung der Songs wurde weiter vom mitunter besten Sound des Festivals getragen.

Jene Begleitband kam zwar mit einer ordentlichen Rockstar-Attitüde daher, hielt sich aber in Sachen Bühnenpräsenz vornehm zurück und war nur wenig unterwegs. Die Coolness wurde sogar bei den hardrockigeren VOODOO X-Titeln vom Schlage „I´m On Fire“ zur Schau gestellt. Wenn man allerdings so einen Frontmann wie JEAN BEAUVOIR hat, dann ist die Bühne für einen selbst zu klein. Immer noch mit dem auffälligen platinblonden Mohawk ausgestattet war er der Blickfang, der auch ständig umher spazierte und viel Kontakt zum Publikum hielt. Einige launige Ansagen sorgten ebenfalls für Sympathiepunkte, mit dem Charisma eroberte er sein Publikum.

Es bedurfte allerdings Auszügen aus einigen der vielen Kollaborationen, an denen der Mann im Laufe seiner vierzigjährigen Karriere beteiligt war, um die Menge so richtig in Fahrt zu bringen. Für KISS schrieb er einige Titel, als deren Kreativitätskurve in den Achtzigern unten war, „Uh! All Night“ wurde von vielen anwesenden Fans mitgesungen. Als ganz große Hymne entpuppte sich jedoch der RAMONES-Gassenhauer „Pet Semetary“, an welcher er als Produzent beteiligt war, keiner der da nicht mitgesungen habe dürfte. Solche Nummern braucht ein Festival, um alle miteinander zu vereinen, die so lange getrennt waren.

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EVERGREY (Rock Stage)
Nun wurde es eine Spur dunkler, doch das Wetter wollte da glücklicherweise nicht mitspielen, was es das ganze Festival über tat, und Acts wie den schwedischen Prog-Metallern das Leben etwas schwer machte. Die Mischung aus getragenen melancholischen Hymnen und feinen Staccato hätte ein späterer Zeitpunkt gut getan. Was Tom Englund und seine Mannen nicht daran zu hindern eben das in großartiger Manier von der Rampe zu hauen. Der Sänger und Gitarrist war bester Laune und begrüßte immer wieder Musikerkollegen, die er im Publikum erspähte.

Musikalisch lief der Motor ebenso, stimmlich war der Bandboss voll auf der Höhe, brachte begnadete Melodien wie „Distance“ wunderschön rüber. Ebenso zockte er im Verbund mit seinen Mitstreitern die harten Riffattacken schön derbe und auf den Punkt, so dass auch im Publikum viele Matten geschwenkt wurden. Auf der Bühne war es nicht nur das Haupthaar das wehte, Englund und der zweite Gitarrist Henrik Danhage haben zwar auch stattlichen Bartwuchs, bei Bassist Johan Niemann wippte dieser synchron mit seiner Haarpracht mit. Gerade wenn alle drei Saitendehner vorne synchron bangten kam das sehr kraftvoll rüber.

Hinter dem Frontmann rotierten die beiden auch ständig durch und suchten die Nähe zu der Menge. Danhage hatte einen richtig abgegriffenen Stratocaster ausgepackt, dessen Klang natürlich dem Gesamtbild mehr Tiefe gab. Was leider auch etwas nötig war, denn auch hier war die Rockstage zu dumpf abgemischt. Das störte den tollen Auftritt leicht, besonders in den schwelgerischen Passagen, gerade wenn man etwas weiter außen stand. Ansonsten war das natürlich eine schöne Abfahrt mit beachtlichem Niveau, bei der quer durch die gesamte Historie gespielt wurde, wobei natürlich „A Touch Of Blessing“ nicht fehlen durfte. Zudem wagten EVERGREY drei Titel vom brandneuen Longplayer „A Heartless Potrait: The Orphan Testament“, aus dem „Save Us“ das Set eröffnete.

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VICTORY (Rockklassiker Stage)
Im Gegensatz zu ihren Landsleuten am Nachmittag musste sich die legendäre Hard Rockformation mit dem kleinen Zelt zufrieden geben, wenn auch zu bester Uhrzeit. Ein wenig verschenkt war das schon, denn die Hannoveraner gaben mächtig Gas. „Are You Ready“ war schon wie bei JEAN BEAUVOIR die einleitende Frage, und die wenigen Anwesenden waren es für eine Rockshow, die sich gewaschen hatte. Da stand da oben keiner still, die Jungs rockten wirklich bis der Mediziner aufläuft. Sie hatten auch die Mucke dazu, die Riffs kamen ebenso breitbeinig wie das Posing der Fünf.

Gitarrist Mike Pesin und Bassist Malte Frederik Burkert machten auf dem linken Flügel richtig Alarm, überboten sich mit ihrem Stageacting und spulten reichlich Meter herunter. Rechts war das Feld des Herman Frank, des letzten Verbliebenen der großen Zeiten. Bei seinen starken Soli war er immer ganz vorne zu finden und genoss den Zuspruch seiner Fans. Da musste auch Sänger Gianni Pontillo zurück stehen, wenn das Urgestein seine Show abzieht. Der sah zwar aus wie der Pizzabäcker von nebenan, mitsamt aus der Mode gefallenen Hemd, warf dafür seine Monsterröhre in den Ring.

Diejenigen, die da waren kamen voll auf ihre Kosten und gaben der Band viel Energie zurück, immer wieder wurden VICTORY angefeuert. Hits wie „Rock´n´Roll Kids Forever“ eignen sich auch prima zum Mitsingen. Klar lag der Fokus auf den frühen Scheiben mit einem Übergewicht auf „Temples Of Gold“, während das vielleicht stärkste Werk „Culture Killed The Native“ nicht zum Zuge kam. Material vom neuen „Gods Of Tomorrow“ wie „Love & Hate“ reihte sich fast nahtlos in das Programm ein. Bei „Check´s In The Mail“ ging völlig die Post ab, vor allem weil sich Pesin und Frank ein irres Tappingduell lieferten. Simpel und effektiv, so muss knackiger Hard Rock klingen, und so muss man ihn zelebrieren.

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MEGADETH (Rock Stage)
Auf den Auftritt haben sich viele hier gefreut, mehrmals musste die Thrash-Legende absagen, doch nun war es soweit. Kein Wunder dass die zweitgrößte Bühne an dem Tag, an dem nicht so viel Publikum zugelassen ist, bei Showstart voll stand. Das Bühnenbild verhieß auch Großes, Marshall-Türme und dazwischen Leinwände, das Drumkit von Dirk Verbeuren in schwindelerregender Höhe. Mit einer derart große Produktion reisen die Vier selten, das SwedenRock macht es möglich, das Warten hatte sich auf alle Fälle gelohnt.

Alleine weil die beiden eröffnenden Hits von „Rust In Peace“ das Set einrahmten und somit früh für Begeisterung sorgten. Die schwappte soweit über, dass die Meute die Breaks zwischen den Soloattacken am Ende mit „Hey, Hey, Hey“ mitsangen. Gleiches war beim größten Hit zu vernehmen, als die Fans zum markanten Thema immer wieder „MEGADETH“ skandierten. Habe ich so auch noch nicht gehört, es zeigte, wie sehr die Anhänger hinter der Band standen.
Selbiges war auch von der Band zu hören, deren Beitrag musikalisch auf höchstem Niveau war, die irrsten Soli wurden tight herunter geshreddert, man spürte die Leidenschaft in jedem Ton. Kiko Loureiro und Dave Mustaine sind mittlerweile gut auf einander eingespielt. Dahinter ballerte Verbeuren alles in Grund und Boden, beackerte sein Kit wie ein Berserker, die Breaks flogen einem nur so um die Ohren.

Dazu konnte der neue Gitarrist seine lateinamerikanischen Wurzeln im Instrumental des immer noch aktuellen „Dystopia“ unter Beweis stellen. Überhaupt war er der agilere der beiden Sechssaiter, rannte für seine Soli oft nach vorne auf den Steg ins Publikum. James Lomenzo tat es ihm am Langholz gleich und rotierte mit ihm ständig die Bühnenseiten. Einzig der Mainman tat sich etwas schwer, wirkte sichtlich gealtert, nicht nur wegen seines weißen Bartes. Bewegungen schienen ihm nicht leicht zu fallen, sein nöliger Gesang war noch etwas dünner als sonst.
Doch spielerisch ließ er sich absolut nichts anmerken, da saß alles perfekt. Wenn er dann nach vorne kam im eher gemächlichen Tempo, gerne auch um längere Ansagen zu machen und sich zu bedanken. Ich weiß nicht, ob ich mir um seine körperliche Konstitution mehr Gedanken machen muss oder um seine geläuterte Art. Mir erschien er fast schon zu handzahm, ein Schuss mehr Stinkstiefel wie früher fehlte schon.

Beim Publikum kam seine Art an, das ihn mit Sprechchören feierte, was ihn sichtlich rührte. Dafür schenkte er ihnen auch drei Lieder vom „Peace Sells….“-Klassiker, aber erneut nicht „Devil´s Island“. Vielleicht hätte man auch mehr von „Youthanasia“ oder etwas von „So Far… So Good… So What! bringen können, während die Welt nicht wirklich einen Song von „The World Needs A Hero“ braucht. Ansonsten stimmte die Mischung und mit dem Beitrag vom „Last Action Hero“-Soundtrack überraschte man. Vor allem gegen Ende gab es ein Hitfeuerwerk, welches auch den ein oder anderen Pit lostrat und Matten wie Hörner fliegen ließ.

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Setlist MEGADETH:
Hangar 18
The Threat Is Real
Dread And The Fugitive Mind
Angry Again
Conquer Or Die!
Dystopia
Sweating Bullets
The Conjuring
Trust
A Tout Le Mode
Wake Up Dead
Symphony Of Destruction
Peace Sells… But Who´s Buying?
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Holy Wars… The Punishment Due


Donnerstag, 09.06.2022

SODOM (Rock Stage)
Mit Thrash Metal ging es ins Bett, mit Thrash Metal ging es für den Rezensenten weiter. Dieses Mal aus Deutschland, sicher auch eine der Hochburgen der Spielart. Die Ruhrpottlegende war wieder im Haus und mörtelte nach allen Regeln der Kunst. Technische Kabinettstückchen wie im Vorabend darf niemand erwarten, die mittlerweile zu viert agierenden halten es lieber rumpelig und direkt. Vom Auftreten her gab man sich schon schön räudig, holzte ungeschminkt durch das Set.

Tom Angelripper stand meist hinter dem Mikro und bellte seine Vocals heraus, traktierte dabei seinen Viersaiter mit schnellen Anschlägen. Die Bühne gab er eher an Frank Blackfire ab, welcher seit ein paar Jahren wieder an Bord ist. Vor allem bei seinen Leads war der Mann ganz vorne zu finden und hatte ganz offensichtlich Spaß an seinem Gegniedel.
Da wurde schon mal die eine oder andere Pose gestellt, während der Rest der Truppe stoisch vor sich hin bangte. Lediglich sein Shirt hätte er anbehalten können, gut gealtert sind er und sein Bandboss wahrlich nicht. Aber für echte Kumpel gehört es sich, die grauen Haare offen zu tragen. Die beiden jungen Mitstreiter fanden sich da bestens mit ein, Toni Merkel rührte staubtrocken in seinen Kesseln, Yorck Segatz schrubbte die Riffs ebenso runter.

Das machte aber trotz der Mittagssonne richtig Spaß, diese kultige Truppe macht keine Kompromisse, dafür liebt man sie. Mit Titeln wie „The Saw Is The Law“ holt man jeden ab, das lässt sich prima mitgrölen und ist einfach so überzogen, dass man es nicht bierernst nehmen kann. Dem setzte eine Stumme Ursel die Krone auf, welche auf die Bretter geworfen wurde. Doch irgendwie waren die Anbauteile da falsch dran, da baumelte eher unten was. Wusste nicht, dass es sowas gibt, wieder was gelernt.

Wie viele andere Bands starteten auch SODOM mit neuem Material in ihr Programm, ein reines Best Of gab es nicht, so dass „Napalm In The Morning“ vermisst wurde. Auch von dem EP-Overkill der letzten Jahre gab es ein paar Kostproben, und natürlich von den ganz frühen Alben wie „Nuclear Winter“ sowie von Klassiker „Agent Orange“ den Titelsong“.
Vorbild Lemmy musste selbstverständlich gehuldigt werden, zu „Iron Fist“ schraubte der Roadie am Mikroständer rum, damit der gute Tom auch in der richtigen Position singt. In das abschließende „Bombenhagel“ baute Blackfire noch die deutsche Nationalhymne ein, da sangen tatsächlich Zuschauer mit, eine nicht unbedeutende Zahl scheint den Weg über die dänischen Inseln gefunden zu haben.

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10CC (Festival Stage)
Eine Sache, die ich beim SwedenRock so sehr liebe ist die enorme Bandbreite des Billings. Da wird einfach durcheinander gemischt, was eigentlich Welten trennt, aber vor dem selben Publikum, das durchaus offen ist. Gab es direkt davor roh und hart auf die Ohren könnte der Unterschied nicht größer sein. Die Art Pop-Legende legte nämlich sehr viel Wert auf eine musikalisch ausgefeilte Performance, und bot vielleicht das musikalisch stärkste Set des gesamten Festivals.
Was Graham Gouldman und seine Mannen auf die Beine stellten war großes Kino. Wo andere den Platz für ihr Stageacting brauchen, haben die Briten den Platz mit allen möglichen Instrumenten zugestellt. Da wurde auch munter durchgewechselt, alle Mitglieder beherrschten mehrere Instrumente. Damit konnten sie immer den optimalen Sound erzeugen, jedem Ton seine Tiefe, Nuancierungen und Dosierung geben.

Alle möglichen Gitarren und Bässe standen zur Verfügung, mit Keith Hayman war ein etatmäßiger Keyboarder dabei, doch Iain Hornal bediente öfter das E-Piano, er war der größte Multiinstrumentalist auf der Bühne. Rick Fenn hatte als Leadgitarrist ebenso viel Feingefühl, überzog nie und stellte sich in den Dienst der Songs. Paul Burgess tat es ihm gleich, und setzte seine Betas mit Bedacht.
Sein Kit war hinten rechts verortet, ein Umstand, der noch zur Masche werden sollte. Nicht nur im instrumentalen Bereich gab es diese spielerische Brillanz, auch der mehrstimmige Gesang war punktgenau getimt. Als wollten sie ihr Können unter Beweis stellen, gab es gegen Ende eine A Capella-Version ihres ersten Hits „Donna“. Ihr Mischer setzte da die Krone drauf und brachte alles transparent zur Geltung.

Sicherlich sorgte das im Publikum nicht für die großen Begeisterungsstürme, eher konnten Musikgourmets in den Klängen aufgehen. Ein gewisses Hippie-Flair stellte sich ein, zumal alle Titel von den ersten sechs Scheiben aus den Siebzigern stammten. Weiter hinten sah man auch Zuschauer, die sich barfuß Yoga-Übungen hingaben. Keiner ihrer Hits wie das eröffnende „The Wall Street Shuffle“, „I´m Not In Love“, das abschließende „Rubber Bullets“ oder auch Stücke wie „Art For Art´s Sake“ fehlten an dem Nachmittag, der so viel ursprüngliches Festival-Flair versprühte. Mit „Dreadlock Holiday“ wurde es dann doch noch zur Party, bei der jeder mitsang.

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DEVIN TOWNSEND (Rock Stage)
Mit dem Kanadier hatte ich mich bisher kaum auseinander gesetzt, doch sein Auftritt im Vorprogramm von DREAM THEATER machte Lust auf mehr. Mehr gab es nicht unbedingt, sondern einfach eine Neuauflage, denn die Songreihenfolge änderte sich nicht. Für Neueinsteiger sicherlich nicht das schlechteste, um sich in das Material einzufinden. Die STRAPPING YOUNG LAD-Nummer „Aftermath“ machte mit seinem unaufhaltsamen Thrash schon in Luxemburg Laune.

Laune war auch das Stichwort an dem Nachmittag, der wie bei einigen anderen Bands einen zu sonnigen Rahmen bot. Doch Townsend wäre nicht Townsend, wenn ihm das nicht entgegen kommen würde, auch wenn seine Musik düsterer ist. Nicht umsonst bezeichnet man ihn gerne als verrückten Professor, in der Tat war er noch besser aufgelegt als vor ein paar Wochen.
Das größere Publikum, welches er vom langen Steg hinein bestens überblicken konnte schien ihn noch anzustacheln, zumal das Feedback deutlich lauter ausfiel. So hielt es ihn nur hinten, wenn seine Vocals gefragt waren, in den instrumentalen Passagen oder auch wenn wieder einiges vom Band kam. Was er an Grimassen schnitt, hätte Louis de Funès zu Ehren gereicht, er genoss die Reaktionen darauf sichtlich.

Zwar waren die wuchtigen Einspielungen nicht unbedingt der Livecharakter, den man erwarten konnte, doch sie intensivieren die Mucke, so dass die Zuschauer richtig eintauchen können und mitgerissen wurden. Wie Headbanging geht wurde auf der Bühne vor allem von Stephen Platt vorgeturnt. Der Mann hatte wie 24 Stunden zuvor Johan Niemann Bart und Haupthaar, das er schüttelte, das es kaum möglich war sein Gesicht zu erhaschen, auch er wirkte deutlich agiler.

Liebster Ansprechpartner von DEVIN TOWNSEND war jedoch Drummer Darby Todd, der ebenso sein sonniges Gemüt entfalten konnte und zu Scherzen aufgelegt war. Dabei mahlte seine DoubleBass unentwegt zu Songs wie „Kingdom“ oder „By Your Command“, während er vier Arme zu haben schien. Als das Tempo mit „Deep Peace“ gedrosselt wurde, lag diese wunderbar entspannte Festivalatmosphäre über dem Areal, da schwelgte jeder mit, auch die hinten in den Campingstühlen. Nun war die Sonne der Freund und der Frontmann hatte seine helle Freude daran, bevor er speziell mit „More!“ das Gaspedal wieder durchdrückte.

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ACCEPT (Festival Stage)
Mit neuem Material und für mich immer noch ungewohnte Line-Up stiegen die Solinger ein und machten von Beginn an klar, wer heute die Chefs im Ring waren. Der Auftakt zu eineinhalb Stunden Vollgas-Bedienung hatte schon Rasanz und ein paar klassische Zitate, für die man Gitarrist Wolf Hoffmann so liebt. Die letzten zwei Alben blieben außen vor, dafür gab es vom Comebackwerk „Blood Of The Nations“ drei Lieder, man wog wieder genau zwischen neu und alt ab, lediglich das Fehlen von „Stalingrad“ schmerzte etwas.

Völlig egal, wenn an dritter Position der Stechschritt so losrockt wie beim alten Gassenhauer von „Metal Heart“. Ab da gab es gar kein Halten mehr, weil die Performance von Philip Shouse und Hoffmann ebenso scharf und präzise war wie die Riffs. Die beiden machten vorne die Show, nutzten den lange Steg, der wunderbar hinunter zu den Zuschauern ging. Hinten flankierten Uwe Lulis und Martin Motnik das Kit von Christopher Williams und sorgten für viel Unterstützung bei den dicken Chören, einem weiteren Markenzeichen.

Wenn das Gitarrenballett tagte, waren sie aber vorne zu finden und zeigten die Akrobatik nicht nur bei ihrem Spiel, sondern auch dem Posing. Da wurden die Gitarren synchron hin – und her gewippt, dann wieder bei schnellen Riffs wie ein Gewehr nach vorne gehalten, alles perfekt im Takt ihrer Metalhymnen. Bei den Soli wurden die Äxte dann auch hochgerissen und in alle möglichen Posen geworfen. Überraschenderweise überließ der gute Wolf seinem neuen Partner an der Front einige Soli, auch bei den bekannteren Titeln.

Das war nicht immer so, zeigt aber die Chemie zwischen den beiden, denen man die Spielfreude meilenweit ansah, wenn sie dauergrinsend jeden Zentimeter der Bühne abliefen.
Da hatte es selbst Mark Tornillo schwer sich da showtechnisch durchzusetzen, er musste auch viele Meter abspulen, um zur Geltung zu kommen. Mit seinem Gesang holte er die Zuschauer ab, die ihn fast übertönten, was ihm wenig ausmachte, denn er feuerte die Menge ununterbrochen an. Sogar Williams erhob sich öfter von seinem Kit, stellte sich ein paar Mal drauf und trieb die Zuschauer zu Höchstleistungen. Dem Ruf folgten immer mehr, und auch den früh eingestreuten Klassikern, das „Heidiheidoheidao“-Spielchen gab es noch nie so früh. Ein Zeichen der Selbstsicherheit von ACCEPT, die wissen, was sie noch in der Hinterhand haben.

Bei der legendären Beethoven-Adaption sang auch wirklich jeder das Solo mit, das Wolf Hoffmann wieder selbst in die Hand nahm, es wahrlich zelebrierte. An dem Tag war es aber nicht die einzige Gitarrenlinie, die mitskandiert wurde, die Fans wollten ihre Favoriten zur Gänze abfeiern und mitleben. Später griff man mit einem Medley aus selten gespielten Songs in die Trickkiste, was die Begeisterung noch mehr steigerte, viele alte Erinnerungen hochbeförderte.

Ein Ass hatte man noch im Ärmel, die Mutter alle Sägeriffs, wieder von Tausenden Kehlen mitgesungen, ebenso wie das Thema nach dem Solo. Zu dem Zeitpunkt dürften sich die meisten der Zahlenden vor der größten Bühne eingefunden haben, bis zum Mischerturm der gegenüberliegenden Rockstage gingen die Hände hoch. Als jeder mit dem Schlussakkord rechnete, kündigte Tornillo noch den Uralt-Hit an, was die Meute schier ausrasten ließ. Kaum jemand schmiedet den Stahl so heiß, die totale Machtdemonstration.

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Setlist ACCEPT:
Zombie Apocalypse
Symphony Of Pain
Living For Tonite
Retsless And Wild
Overnight Sensation
The Abyss
Objection Overruled
Shadow Soldiers
Princess Of The Dawn
Fast As A Shark
Metal Heart
Teutonic Terror
Pandemic
Demon´s Night/Starlight/Losers And Winners/Flash Rockin´ Man
Balls To The Walls
I´m A Rebel

SAGA (Sweden Stage)
Trotz vierzig Jahren Fan-Dasein fiel es dem Rezensenten schwer nach diesem Abriss seine volle Konzentration auf die kanadischen Prog-Heroen zu lenken. Erinnerte an das KnockOut-Festival 2005, als sie nach SAXON auf die Bühne mussten, hier war die Pause dazwischen noch kürzer inklusive Bühnenwechsel über das ganze Gelände. Dabei fingen sie gut an mit einem ihren größten Klassiker. Leider fehlte es ein bisschen an Bindung zum Publikum, weil Michael Sadler noch hinter den mittig platzierten Keyboards beschäftigt war und erst mit dem zweiten Song nach vorne kam.

Ich stelle hier mal die Frage, ob die Bühnenanordnung nun zur Normalität wird, denn viele Bands gingen vom traditionellen zentralen Schlagzeug weg, das im Rock als gesetzt galt. Zudem saß Mike Thorn nicht mit dem Gesicht zum Publikum, sondern trommelte seitlich, so das ihm die Zuschauer auf der rechten Seite gut auf die Finger schauen konnten. Angesichts der Breaks, die er immer wieder raushaute eine Wonne für die Drummer im Publikum.
Neu war auch Bassist Dusty Chesterfield, der deutlich jünger sein dürfte als seine Kollegen. Wie Jim Chrichton bediente er neben dem Bass noch ein kleines Midi-Keyboard. Selbstverständlich nahm er den Platz hinter dem zwei Synthesizern in der Mitte, als sich Sadler den Viersaiter umschnallte. Viele Songs hat man in der Konstellation aufgenommen, der vom Debüt darf nie fehlen. Jim Gilmour war links beheimatet und hatte vier Keyboards vor sich aufgebaut.

Mit Sadler an der Front taten sich Saga zunächst etwas schwer, das Alter ging an ihnen ebenfalls nicht vorbei. Dazu versprüht Chesterfield nicht das Charisma von Chrichton, der immer der Motor der Band war. So musste es sein Bruder Ian heraus reißen, der wie immer markant und deutlich härter als auf Konserve frickelte. Sein Stil ist gleichsam unverkennbar wie einflussreich und bringt die Stücke live zum Rocken. Bei den vielen Auszügen aus den Nullerjahren, darunter ein Lied der Moratti-Phase, die zu Beginn gebracht wurden, kam dieser noch mehr zur Geltung. Das galt auch bei den instrumentalen Passagen, wo er sich austoben konnte.

Doch erst mit einem ihrer größten Hits hatte man das Publikum gewonnen, der Sänger schwang sich nun zu seinen kraftvollen Gesten auf, spazierte vor den Monitoren umher, um noch näher bei seinen Anhängern zu sein. Ab dann war es ein Leichtes für die Truppe, die Reaktionen wurden stets lauter, auch wenn ich „The Flyer“ mal wieder vermisst habe. SAGA haben das beste Programm geboten, dass sie für die 75 Minuten zusammenstellen konnten, der Sound war ebenso auf ihrer Seite.
Was den Anteil meiner Landsleute anging, dürfte sich auch viele auf die mittelgrößte Bühne begeben haben. Als die Singalongs über den ganzen Platz hallten, entfuhr einem ein „läuft“, welches es im schwedischen nicht gibt. Hierzulande waren sie immer eine große Nummer, schön zu sehen, dass sie auch im Norden punkten konnten. Aber bei dem Klassikeralarm am Ende kann wenig schief gehen, auch für weniger mit dem Material Vertraute.

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Setlist SAGA:
Careful Where You Step
Framed
Trust
On The Air
Step Inside
On The Loose
How Long
Humble Stance
Scratching The Surface
Coversations
Pitchman
You´re Not Alone
Wind Him Up
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Don´t Be Late

VOLBEAT (Festival Stage)
Mit dem Headliner habe ich schon immer etwas gefremdelt, aber mangels interessantem Alternativprogramm und einem Versprechen vor ein paar Jahren war ich dann trotzdem vornedrin dabei. Man muss sagen, dass man den Status verdient hat, wenn man so viele Menschen vor der Bühne versammelt, die begeistert mitgehen. Klar scheiden sich an der heulenden Stimme immer noch die Geister, doch das taten sie bei RUSH auch, und die wurden zur besten Band aller Zeiten.

Überrascht hat mich die klare metallische Kante, was an der Ausrichtung des neuen Albums gelegen hat, von dem immerhin sechs Titel gespielt wurden. Da rifft es ordentlich, im LG Petrov gewidmeten „Becoming“ kniet man tief im Todesblei. Da kamen auch Kuttenträger auf ihre Kosten, die ihre Matten ausgiebig schütteln konnten, wobei sich ja Sänger und Gitarrist Michael Poulsen selbst zu der Spezies zählt.
Gar doomig schleppte sich mit „The Sacred Stones“ ein weiter neuer Song durch den Zugabeteil. Als Gipfel metallischer Ehrerbietung kam dann der frühere MORGOTH-Frontmann Marc Grewe auf die Bühne und grunzte zu „Evelyn“ die Mainstream-Attitüde vieler Stücke mal gepflegt in Grund und Boden. Natürlich gab es auch viel geradlinigen Rock der Marke „Seal The Deal“ oder „Black Rose“ auf die Ohren, was den Jungs ebenso steht.

Über die Country- und Rockabilly-Anleihen kann man jetzt denken was man will, vieles tönt sehr eigenständig und gab der Formation ein Alleinstellungsmerkmal. Schon zu Beginn konnte mit „The Devil´s Bleeding Crown“ und „Pelvis Of Fire“ das Tanzbein geschwungen werden. Vor JOHNNY CASH verbeugte man sich wie immer doppelt, erst mit dem Cover des allseits bekannten „Ring Of Fire“, anschließend mit der Hommage „Sad Men´s Tongue“.
Noch irrer wurde als in ein paar Stücken wie „Wait A Minute My Girl“ zwei Herren in Glitzeranzügen auf die Bühne kamen, oder besser mit dem Piano reingerollt wurden. Dies bediente einer der Zig und Zag genannten Typen, während der andere das Saxophon umgeschnallt hatte. Vom Bartwuchs, der Gestik und dem Ambiente hätten sie auch als Reinkarnation von ZZ TOP durchgehen können, witzig war das auf alle Fälle anzuschauen und fügte sich gut in den Gesamtsound ein.

Der wurde kompakt und schnörkellos von den Vier von der Rampe geprügelt. Egal ob die starke Tom-Arbeit von Jon Larsen, welche jeden Song anschiebt, als auch die tolle Soloarbeit von Rob Caggiano. Leider fiel mehrmals die PA für eine oder zwei Sekunden aus, so dass nur noch der Monitorsound zu hören war. Die Jungs dürften davon wenig mitbekommen haben und zockten unbeirrt weiter. Ähnlich wie ihre Gastmusiker setzten die Vier auf lässigen Chic, Partyhüte, Hemden und Westen bestimmten das Bild. Die Musiker schlenderten eher über die Bühne als das sie wild unterwegs gewesen wäre.

Absoluter Aktivposten war wie immer Bandchef Poulsen, der den Steg ins Publikum immer wieder herab spazierte, um ganz nahe bei der Menge zu sein. Von hier aus ließ sich jene besser diktieren und immer wieder zu lautem Mitsingen animieren, selbst bei den dänischen Lyrics zu „For Evigt“. Ein paar Mal waren Caggiano und Bassist Kaspar Boye Larsen dabei, doch meist der Frontmann alleine. Seine Präsenz ist wirklich einnehmend, bereitwillig folgte ihm das Auditorium. Beim großen Hit am Ende holte er ein paar Kinder aus dem Publikum ganz nach vorne zu sich auf die Bühne, die gemeinsam mit ihm „Still Counting“ singen durften.

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Foto mit freundlicher Genehmigung von Anna Karlsson

NIGHTWISH (Rock Stage)
Einen düsteren Anstrich haben die finnischen Bombastmetaller schon, dennoch hätte ich die gerne vor dem Headliner am Abend gesehen als in der Mitternachts-Matinee. Die ausgefeilten Kompositionen brauchen einfach mehr Konzentration beim Zuhörer als um die Uhrzeit noch möglich ist. Leicht machten sie es ihren Fans auch nicht, sondern setzten auf viele sehr getragene, epische Stücke, bei denen Mastermind Tuomas Holopainen viele Orchestrierungen aus seinen Tasten dazu einspielte.
So trommelte Kai Hahto schon zu „Music“ als jener noch als Intro per Band rüberkam. Beim Outro, dem starken Finale „VIII. Ad Astra“ von „All The Works Of Nature Wich Adorn The World“ sang Jansen alleine zum Orchester vom Band, während sich die Band schon verabschiedete. Vielleicht ist der Anspruch mittlerweile nicht mehr ausreichend für eine reine Rockshow, warum man bisher noch nicht mit echtem Orchester aufgetreten ist, entzieht sich meines Verständnisses.

Bis auf die nachträglich zugefügte Hitballade des Zweitwerks gab es nichts vom Frühwerk zu hören. Am erfolgreichsten Album „Once“ hält man immer noch gerne fest, doch ich finde, die Truppe hat stärkere Werke veröffentlicht. Drei Titel aus dem eher kommerziellen „Imaginaerum“ waren die songdienlicheren Beiträge im Set.
Dabei war dieses schon martialisch auf die Metalseite getrimmt, die Fotographen durften erst mit dem vierten Song rein und mussten unmittelbar nach dem sechsten wieder raus. Die Pyroaction war sehenswert, überall rauchte und krachte es, Feuersäulen schossen in sämtliche Richtungen, ein Wunder wie da die Musiker immer heil drumherum kommen.

Auch hier war natürlich die Sängerin der Blickfang und große Trägerin der Show. Empuu Vuorinen war zwar agiler als beim letzten Mal als ich ihn gesehen habe, stand aber immer noch im Schatten der guten Floor. Nach der Pandemie war jeder heiß auf Konzerte, so bangte der Mainman hinten in der Mitte unentwegt hinter seinen Tasten, nur Livebassist Jukka Koskinen blieb eher blass.
Troy Donockley wartete mit einem ganzen Arsenal an Instrumenten auf, um verschiedene Klangfarben einzubringen, bediente aber auch mal die Rhythmusgitarre. Zwar soll er die Gesänge des ausgestiegenen Marko Hietala übernehmen, doch viele Songs mit Parts von ihm standen nicht auf dem Programm.

Wie so oft bei dem Festival war der Sound außerhalb der Bühnenflügel zu dumpf, ein Umstand, der bei solch komplexer Musik natürlich noch mehr ins Gewicht fällt. Was nicht das einzige Manko war, denn auch Floor Jansen hörte ich schon besser. Irgendwie erschien mir ihre Stimme sehr dünn, konnte nicht den nötigen Druck entfalten, gerade in den hohen und härteren Passagen war das fast schon geschrien.
Das war insofern schade für NIGHTWISH, die ansonsten gut zusammen spielten und es dann krachen ließen, wenn die Möglichkeiten bestanden. Zwar stand das Publikum voll hinter ihnen, selbst gegen Ende lichteten sich die Reihen kaum, doch die volle Magie konnten sie an dem Abend nicht ausspielen. Vielleicht sollte man sich mit der Rolle der Brückenbauer zwischen Metal und E-Musik mehr anfreunden, um den nächsten Schritt zu gehen.

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Setlist NIGHTWISH:
Noise
Planet Hell
Tribal
Élan
Storytime
How´s The Heart
Dark Chest Of Wonders
I Want My Tears Back
Nemo
Sleeping Sun
Shoemaker
Last Ride Of The Day
Ghost Love Score
The Greatest Show On Earth (Part 1-3)


Freitag, 10.06.2022

ERIC GALES (Sweden Stage)
Als ich das Gelände am nächsten Tag betrat musste ich mich erst einmal vergewissern nicht auf einem Hip Hop-Festival gelandet zu sein. Denn auf der Bühne direkt hinter dem Eingang fanden sich Musiker ein, die vom Look her stark daran erinnerten. Ein kahlköpfiger Drummer mit Stirnband, der im Rockbereich höchstens bei einer NYHC-Combo vorzustellen wäre. Ein Keyboarder mit Schirmmütze, und Bassist James „Smokeface“ Ross mit Kopfsocke und Maske, unter der es ständig heraus rauchte. Einzig Gales´ Ehefrau LaDonna im schwarzen Lederkleid hinter den Percussions hätte man nicht zwingend in der musikalischen Ecke verortet.

Den Chef im Ring dafür ebenso wieder, sein Goldbehang war ähnlich exzentrisch wie sein ganzes Auftreten. Ausladend seine Schritte, mit denen er die ganze Bühne abschritt, während seine Begleiter die gesamte Zeit ihre Positionen hielten. Kurz halten konnte er sich bei den Ansagen ebenfalls nicht, war um dicke Sprüche nicht verlegen. Immer wieder schien auch die ernsthafte Bewältigung seiner Vergangenheit durch, was seine Großmäuligkeit wieder sympathisch machte.
Ständig war er sogar zwischen den Songs damit beschäftigt die Zuschauer zu Applaus zu animieren, er bekam ihn auch. Nicht nur für sich, auch für das Tamburin-Solo seiner Frau, welches in seiner typischen Art ankündigte. Die hektischen Bewegungen dabei, das Rudern mit den Armen wären ihm in der NFL womöglich als Taunting geahndet worden. So hatte er die Zuschauer schnell auf seiner Seite, welches den verrückten Vogel gern hatte.

Auch weil dieser so toll aufspielte, selbst wenn er das Spielen gerne übertrieb. Zwei Intros, von dem in eines das Thema des Klassikers „Smokestack Lightning“ eingebaut wurde benötigte Gales, um mit „You Don´t Know The Blues“ erstmals zum Mikro zu schreiten. Viel Songs sang er nicht, meist von seinem neuen Album „Crown“ wie den Titelsong“ oder das funkige „Put It Back“. Am meisten berührte er hier mit der Ballade „My Own Best Friend“, die von seiner Läuterung erzählt.
Das Interessante in seinem Spiel ist, wie er die Songs im eher kleinen Rahmen neu arrangiert, die Orgel übernimmt die Backgroundchöre der Studioversionen. Das macht alles ein wenig rauer, gibt seinen Saiten noch mehr Präsenz, die er meisterlich tanzen ließ. Sein Talent schien immer wieder durch, leidglich als Songwriter hätte er sich mehr profilieren können. ERIC GALES jammte lieber eine Runde über das legendäre Riff von „Don´t Fear The Reaper“, was daran denken ließ, dass BLUE ÖYSTER CULT leider abgesagt hatten.

Dass er von Hendrix inspiriert ist, hätte keiner Erwähnung bedurft, das hörte auch der Laie schnell heraus. Schon wie er die Saiten aufzog, war ganz im Stile des Großmeisters, der die Rechtshändergitarre ebenfalls links spielte. Dennoch bat er gegen Ende einen Song von ihm spielen zu dürfen, nachdem er seine eigenen darbieten durfte. Wie gehabt leistete er sich bei „Voodoo Chile (Slight Return)“ einige Freiheiten und baute Beethoven´s „Pour Elise“ mit ein, was dem Redakteur ein Déjà Vu bescherte. Man muss den Mann einfach mögen, der so prima unterhalten kann, der eine fast kindliche Freude am Musizieren hat, nur beim nächsten Mal mehr Songs.

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D-A-D (Festival Stage)
Wer die Dänen kennt, weiß, dass sie sich für keine Verrücktheit zu schade sind, gerade bei so einem großen Festival konnte man gespannt sein, was sie sich nun wieder einfallen lassen. Vielleicht haben sie deswegen sicherheitshalber ein ganzes Karussell um das Drumkit von Laust Sonne gebaut, weil er seines beim letzten Gastspiel auf dem SwedenRock abfackelte. Das herrlich gelb-bunte Gebilde setzte sich in einem großen Bogen über die gesamte Backline fort. Wenn man schon Zirkus macht, dann trug natürlich Jacob Binzer den Dompteurszylinder.

Mit dem Bühnenbild konnte ja schon gar nichts mehr schief gehen, zumal der Drummer in einem pinken Anzug mit kurzen Ärmeln hinter einem gleichermaßen gefärbten Schlagzeug saß. Und was Stig Pedersen jedes Mal an Bässen aufbietet ist immer wieder höchst amüsant, wer baut so was eigentlich? Die Rakete, die er quasi versteckt spielen muss, kannte man ja, den gläsernen Viersaiter ebenso. Aber das Ding mit dem Gitarrenkopf als Korpus und der Korpus als Kopf ist jetzt schon Kult, zumal der Typ mit den kajalumrandeten Augen wieder herrlich schräg unterwegs war.

Mit dem Titelsong ihres erfolgreichsten Werkes ging es direkt los, Jesper Binzer hing lässig hinter seinem Mikro und haute ein paar kernige Riffs aus seiner Flying V. Wenn sein Gesang nicht gefragt war, war er viel unterwegs und animierte immer wieder die Fans. Das wäre nicht nötig gewesen, die Skandinavier verstehen sich untereinander, so dass er das Auditorium schnell im Griff hatte. Kein Wunder wenn man „Jihad“ vom Durchbruchsalbum „No Fuel Left For The Pilgrims“ schon an dritter Stelle raus haut.
Überhaupt wurden auf der laufenden Tour viele alte Kamellen aufgewärmt, aus der Zeit davor, etwas das sehr countrylastige „Riding With Sue“. Aus den letzten zwanzig Jahren gab es nur zwei Stücke vom aktuellen Album „A Prayer For The Loud“, dessen lässiges Titellied gut kam. Mit den beiden größten Hits „Bad Craziness“ und „Sleeping My Day Away“ ging das reguläre Set spektakulär zu Ende, die Show nahm kein Ende.

So ein Karussell steht ja nicht nur herum, es fing auch an sich zu drehen, während Sonne munter weiter spielte. Alleine er ist schon außergewöhnlich, von der Griffhaltung eher ein Jazzer lässt er die Arme munter kreisen, obwohl sein Groove eher ein simpler ist. Weil sich das Karussell so schön drehte, nahm auch mal Jacob Binzer dort Platz und spazierte der Drehbewegung entgegen, während er munter weiter auf der Stelle laufend sein Solo weiter zockte. Bruder Jesper zog es später vor die Fahrt in vollem Umfang zu genießen.

Zugabe war bei einem der unterhaltsamsten Gigs des Festivals Pflicht, wobei sie erst einmal Fahrt heraus nahmen. Ob es daran lag, dass der eher melancholische Fanfavorit „Laugh ´n´ A ½“ nicht ganz zum übrigen Material passt und deswegen lange selten gespielte, kann ich nur schwer sagen. Jedenfalls war die Begeisterung groß als die Binzer-Brüder nur mit der Stromlosen bewaffnet zurück kamen und alleine einstiegen.
Streckenweise haben die dann nur noch gespielt und das eigene Singen gänzlich eingestellt. Tausende Kehlen waren ohnehin lauter, jedes einzelne Wort wurde mit Inbrunst mitgesungen. Hier waren wieder alle eins, jeder fühlte das selbe, Momente die nur Musik schaffen kann und den Rezensenten tief berührten. Mit dem schweren „I Won´t Cut My Hair“ verabschiedeten sich D-A-D endgültig.

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KINGDOM COME (Sweden Stage)
Beim folgenden Act weiß ich wirklich nicht, was ich sagen oder schreiben soll, ob es nun traurig oder doch erfüllend war, zu viele Nebenkriegsschauplätze eröffnete diese Band, auf welche ich so lange gewartet habe. Nicht nur ich, jeder mit dem ich zuvor redete zählte mindestens dreißig Jahre runter, damit der Moment endlich kommt. Der erste Eindruck war optisch nicht wirklich erbaulich, gut gealtert sieht definitiv anders aus.
Das Bild schreckte nicht nur auf, sondern auch das Fehlen von James Kottak, bis zu dem Zeitpunkt als ebenjener vorgestellt wurde. Ich habe den Mann noch vor sechs Jahren mit den SCORPIONS gesehen, seitdem muss er extrem mit seiner Gesundheit zu kämpfen gehabt haben. Die Haare dünn und grau, der Körper noch die Hälfte von damals. In ein paar Ansagen merkten Johnny B. Frank und Keith St.John schon derartige Dinge an und sprachen offen den Kampf gegen Krebs an.
Umso bemerkenswerter dass diese Truppe auf der Bühne stand, das Schicksal meinte es sicher nicht gut mit den Jungs. Die Zukunft schien golden, und bis heute sind zumindest die vier Originalmitglieder befreundet, doch nach zwei Alben beschloss ihr früherer Frontmann alle zu feuern und sich stilistisch anderweitig zu versuchen. Bis auf Kottak hat keiner von der einst so talentierten Band wieder einen Fuß auf die Erde bekommen. Das Leben schien es auch nicht immer gut mit ihnen zu meinen, aber kein Wunder wenn man nur seinem Traum hinterher jagt.

Jene Reunion hätte Lenny Wolf vor fünfzehn oder zwanzig Jahren vollziehen müssen, als die Zeiten gut standen für jene Musik. Oder einfach für die anderen den Weg frei machen sollen, als bei seiner Version von KINGDOM COME kaum etwas lief. So hinterließ der Auftritt einen zwiespältigen Beigeschmack, wobei ich sicher bin, die Band hat ihr Bestes gegeben was sie hatte. Zwischendurch durfte jeder Saitendehner ein Solo zocken, wobei die improvisiert und wenig inspiriert wirkten, währenddessen die anderen Musiker scherzten und das Publikum filmten. Es schien als wolle man Kottak Zeit zur Regeneration geben, immerhin war sein Punch noch da, wenn er gebraucht wurde.

Genau das war eben die Tragik, dass die Songs großartig dargeboten wurden, wenn die Band mal ins Grooven kam, selbst wenn man von der Livepräsenz wenig eingespielt wirkte. Danny Stag hat immer noch die feurigen Riffs am Start und viel Gefühl in seinem Spiel, Johnny B. Frank war viel unterwegs und heizte die Fans an. Keith St.John scherte sich wenig um den ewigen Vergleich mit LED ZEPPELIN und hatte die selben Rockstarposen drauf wie Robert Plant. Den Einfluss können sie nicht abschütteln, trugen ihn allerdings besser in die Achtziger als die Originale.

Da durfte eine kurze Einlage mit „Black Dog“ nicht fehlen, wobei sich die meisten Anwesenden einfach mehr Songs gewünscht hätten. Das populärere erste Album kam gut zum Zuge, doch vom besseren, raueren und vielschichtigeren „In Your Face“ blieb man vieles schuldig. Der Gig bewies, dass in besseren Zeiten eine Sternstunde möglich gewesen wäre, so gab es nur eine Ahnung davon. Glücklich gemacht hat es dennoch, dass sich die Herren aufrafften uns diese Lieder zu bescheren, die man gemeinsam feiern konnte.

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Setlist KINGDOM COME:
Shout It Out
Perfect ´O`
Living Out Of Touch
 -Gitarrensolo Rick Steiert-
Do You Like It
 -Bassolo-
17
 -Gitarrensolo Danny Stag-
What Love Can Be
Pushin´Hard
Get It On

SAXON (Festival Stage)
So langsam scheinen sie zum Inventar zu gehören, ihre Teilnahmen am SwedenRock kommen in immer kürzeren Abständen, denn im Prinzip waren sie bei der letzten Ausgabe schon dabei. Wenn nicht gerade JUDAS PRIEST oder IRON MAIDEN vorbei schauen, sind sie die erste Adresse für NWOBHM-Stoff. Mittlerweile auf die Hauptbühne hochgebucht wurde der Wunsch von Frontmann BIFF nicht Wirklichkeit, dass seine Gruppe dieses Mal headlint. Man muss es vorweg nehmen, verdient wäre es allemal gewesen, wie ACCEPT am Tag zuvor boten sie einfach am meisten Power auf der Bühne.

Dabei ist der gute Biff nun keiner, der wie wild auf der Bühne rumrennt, aber diese graue Eminenz des Metal gehört zu den ganz großen Sympathieträgern, der mit seinem Charisma alles vereinnahmen kann. Aktivposten war wie immer der nimmermüde Nibbs Carter, der immer noch ohne Furcht auf den Frontmonitoren stand und dabei wild seine Matte schüttelte. Von den Kollegen an den sechs Saiten war Dog Scarratt der umtriebigere, bangte aber lieber von rechts nach links, mit sehr weit ausholenden Bewegungen.
Was SAXON anbieten ist mittlerweile egal, weder die Musiker noch ihre Fans werden die unvermeidlichen Standards müde. So kamen die Titeltracks der „Holy Trinity“ ebenfalls wieder recht früh, dafür hat man ja genug in der Hinterhand. Seltsamerweise hatte man das aktuelle Werk „Carpe Diem“ außen vor, oder soll das erst bei der Tour vorgestellt werden. Danach gefragt hat jedenfalls keiner, Hauptsache es ging direkt nach vorne los und rockt ordentlich.

In eineinhalb Stunden kann die Formation eh nicht alles spielen, was möglich wäre, allerdings sind die Zeiten von ein paar Überraschungen länger vorbei. Ein bisschen Spielzeit ging wie immer für die Skandierungen des Bandnamens drauf, welche die Fünf immer noch mit Freude entgegen nahmen und gar nicht erst versuchten, die Meute einzubremsen. Einmal startete Byford das Spiel die rechte und linke Seite gegeneinander grölen zu lassen. Das klappte mit dem Teiler bis zum FOH ganz gut und das Publikum macht sich auf beiden Seiten des Grabens noch den Spaß sich gegenseitig anzustacheln.

Da ist über die Jahre eine Einheit gewachsen, weil SAXON immer grundehrlich ablieferten und nie Allüren zeigten. Erst im Herbst ihrer Karriere ernten sie die Lorbeeren, die andere früher bekommen, dann oft verblassen. Biff konnte die Menge nach Belieben dirigieren, seine Autorität basiert aber darauf, dass er einer von uns ist. Und wie gute Freunde treibt man auch mal Scherze, und der Mann im Armeemantel ist ein Schelm vor dem Herrn.
Selbstredend wurde die Kreuzfahrerhymne wieder permanent gefordert, als Beweis dass sie nicht auf der Setlist stand wurde die hochgehalten. Also doch wieder zerreißen, runterschlucken und die Leute selbst entscheiden lassen. Das Lied vom Flughafen ohne Strom wurde auch gefordert, aber natürlich wurde es der Titelsong vom 84er Album. Zwei Lieder später war eigentlich noch Zeit für zwei Songs, da SAXOM immer überziehen dürfen.
Angekündigt wurde die Nummer, ohne die man die Bühne nie verlässt, Paul Quinn stieg in das schnelle Kultriff ein, dann grätsche Biff dazwischen „Next song is „747 (Strangers In The Night)““. Er hat uns wieder mal dran gekriegt und amüsiert sich köstlich über die Finte, während Scarratt und Quinn sich die Leads um die Ohren peitschen. Das Publikum freute sich ebenso über zwei weitere Klassiker und hüpfte bis zu den Sitzplätzen mit.

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Setlist SAXON:
Motorcycle Man
Battering Ram
Wheels Of Steel
They Played Rock´n´Roll
Strong Arm Of The Law
Thunderbolt
Denim & Leather
Heavy Metal Thunder
Never Surrender
Broken Heroes
Dogs Of War/Solid Ball Of Rock
Crusader
And The Bands Played On
Power And The Glory
747 (Strangers In The Night)
Princess Of The Night

PRAYING MANTIS (Rockklassiker Stage)
NWOBHM, Klappe die zweite! Direkt im Anschluss an das große Flaggschiff konnten Fans zur melodischeren Variante ins Zelt gehen, die aber kein bisschen leiser war. Im Gegenteil, denn seit der Hinzunahme des niederländischen Sängers „John „Jaycee“ Cuijpers ist die Combo aktiver denn je. Angesichts der Qualität der jüngsten Scheiben fragt man sich, was gewesen wäre, wenn man nach dem grandiosen Debüt nachgelegt hätte. Falsche geschäftliche Entscheidungen verhinderten leider höhere Weihen, Liebhaber verleihen ihnen heute gerne das Etikett „unterbewertet“.

Gerade auf der Bühne verabreichte ihnen Cuijpers einen echten Energieschub, weil er die Frontmann-Rolle endlich gebührend ausfüllt und somit die Verbindung zum Publikum herstellt. Den Troy-Brüder Chris und Tino fehlte das stets ein wenig. So tänzelte Chris wie gewohnt etwas verträumt am Bass auf der Bühne rum, während Tino wild umher sprang, seine Leads und Soli spektakulär abzog, damit für Schauwerte sorgte. Als Motor fungierte da lange Andy Burgess, der mit Riffs vorne an der Rampe antrieb.

Nun haben PRAYING MANTIS nicht nur eine verdammt dicke Röhre in ihren Reihen, der den Kompositionen mehr Kraft und Rauheit verleiht, sondern auch mit Präsenz zu glänzen wusste. Schon zu Beginn forderte er die Zuschauer auf beim mächtigen Refrain der Bandhymne mit einzusteigen. Die ist zwar offiziell nie auf einem Album erschienen, doch nach der zweiten Strophe wusste jeder worum es geht. Mit einem der härteren Tracks von besagtem „Time Tells No Lies“ bog man anschließend auf die Siegerstraße ein.

Klar wären mehr Zuschauer wünschenswert gewesen, im Zelt war noch ausreichend Platz, aber die Anwesenden können davon zeugen, hier eine trotz aller Rückschläge immer noch vitale Band erlebt zu haben. Spielerisch passte das alles zusammen, der gute Jaycee lässt mit seiner Art seine Mitstreiter mehr zu einer Einheit finden, die erhöhte Spielpraxis der letzten Jahre mündete in einen sehr kompakten druckvollen Beitrag. Gerade das Markenzeichen, die mehrstimmigen Vocalarrangements, saß an dem Abend perfekt und erhöhte mit den massiven Chören die Eingängigkeit.

Die Jungs taten auch gut daran nicht als reiner Nostalgieact daher zu kommen, ein reines Set mit dem Debüt kann man vielleicht auf dem „Keep It True“ bringen. So gab es mehrere Tracks aus den Comebackzeiten in den frühen Neunzigern, so wie Auszüge der letzten Scheiben, die sich nahtlos einreihten. Als besonderes Bonbon für die langjährigen Anhänger legten sie noch den Track vom sagenumwobenen „Metal For Muthas“-Sampler nach.
Emotionaler Höhepunkt, vielleicht des gesamten Festivals war die Ballade des Abends, die einen ermutigt seine Ziele nie aus den Augen zu verlieren. Am Ende bescherte der Klassiker mit dem derzeit so aktuellen Thema, das vor vierzig Jahren schon die Menschen bewegte, Musikern wie Fans einen umjubelten Ausklang. Es wäre großartig, wenn diese Formation endlich mal größere Bühnen spielen könnte, wo sie noch mehr aus ihrem Repertoire zaubern können, die Fähigkeiten dazu haben sie bewiesen.

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Setlist PRAYING MANTIS:
Praying Mantis
Panic In The Streets
Highway
Keep It Alive
Cry For The Nations
Dream On
Time Slipping Away
Captured City
Let It Go
Children Of The Earth

IN FLAMES (Festival Stage)
Auch bei den Lokalmatadoren ist es nicht so lange her, dass sie das Festivalbilling angeführt haben, auch wenn der letzte Auftritt einige Fragen offen ließ. Eine wurde beantwortet, Keyboarder Niels Nielsen blieb, bekam einen eigenen Riser, so dass sich die Melodic Deather in die Riege der Acts einordneten, deren Schlagzeug dezentral steht. Die nächste Frage war, ob das tatsächlich Chris Broderick ist, und da ja, seit wenn er dabei ist. Mitbekommen habe ich es nicht, den immer noch gut muskelbepackten Shredder schon mit JAG PANZER, NEVERMORE und MEGADETH erlebt.
Sein Spiel passte auf jeden Fall rein, weil auch IN FLAMES stets eine Mischung aus Melodien und Staccato hatten. Da passte der Opener „Alias“ schön in das Bild, die Harmonien peitschten über die Bucht und brachten die dicht gedrängte Masse direkt in Bewegung. Die Schweden erwiesen sich als erstaunlich textsicher, obwohl den zunehmend psychotischen Gesangslinien von Anders Fridén nur schwer zu folgen ist. Gerade bei dem Longtrack „The Chosen Pessimist“ vom selben Studiowerk „A Sense Of Purpose“.

Broderick brachte auch mehr Bewegung auf die Bühne, nahm auf seiner Seite Bryce Paul mit, der lässig unter der Baseballmütze bangte. Die Anordnung mit einem Riser am kompletten vorderen Bühnenrand war etwas seltsam, neben dem Frontmann war es der neue Gitarrist, der diesen am öftesten erklomm. Björn Gelotte rockte mittlerweile völlig ergraut auf der rechten Seite vor sich hin. Bei den Soli, die sich beide teilten präsentierte er sich etwas mehr. Fridén hingegen war viel unterwegs, hatte zwar immer den Kopf etwas gesenkt, suchte dennoch viel den Kontakt zu den Leuten.
Schwedisch verstehe ich nur sehr begrenzt, aber die Handzeichen nach zwei Dritteln des Sets konnte auch ich deuten. Immer wieder schwor er beide Seiten vor der Bühne ein, bewegte dabei seine Hand auf und ab, um anzuzeigen wie er es gerne hätte. Klar kam dann „Only For The Weak“, der Dauerbrenner bringt immer noch ein komplettes Festival zum kollektiven Hüpfen. Da klatschten die durchschwitzten Leiber aneinander, rieben sich und ging auf und ab, immer wieder ein Erlebnis in dieser Masse.

Von „Clayman“ wurde mit „Pinball Map“ noch ein weiterer Song gespielt, am Ende einer ganzen Strecke alter Songs. Das versetzte die alten Fans in Verzückung, als von „Behind Space“ vom Debüt „Lunar Strain“ über „The Hive“ von „Whoracle“ bis zum jenem Titel je ein Song ausgegraben wurde. Wer die Historie der Band kennt, weiß, dass anschließend der Stilwandel kam, von „Reroute To Remain“ gab es lediglich „Clouds Connected als recht frühen Höhepunkt. Bis auf „Soundtracks To Your Escape“ wurde jedes Werk bedacht, mir fehlte unter den drei Auszügen von „Sounds Of A Playground Fading“ erneut der Titeltrack. Die neueren Lieder wurden alle munter dazwischen gemischt.

Am Ende ging es dann bei „Take This Life richtig ab“, doch es drehten sich schon zuvor einige kleine Pits. Den munteren Treiben auf dem schon arg strapazierten Rasen setzte die Band auch etwas mehr Show entgegen, wenn die Bühne samt Bühnenbild mit riesigen herunterhängenden schwarzen Weben in ein dunkles Licht getaucht wurde. Zum Glück erinnerte man sich wieder der Bedeutung des Bandnamens und feuerte mit den Feuersäulen aus allen Rohren. Im Ablauf gab es wenig Reibungen, hier wurde auf Songs gesetzt, die alle schön schnörkellos runter geballert wurden. Schön zu sehen, dass diese innovative Truppe nach vielen Umbesetzungen immer noch einen würdigen Headliner gab.

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Samstag, 11.06.2022

TIAMAT (Sweden Stage)
Um die Dark Metaller wurde es in den letzten Jahren still, das aktuelle Album „The Scarred People“ erschien vor zehn Jahren. Ein Umstand, der viele Acts aus jener Generation ereilte, nur wenige Ausnahmen sind noch gut im Geschäft. Zwischendurch hatte Mastermind Johan Edlund sogar seine eigene Band verlassen, kehrte nach ein paar Wochen zurück. Dass der Schwede einst in Griechenland residierte ist bekannt, aber muss der einstige kajalbemalte Düsterfürst heute so auftreten? Mit Strohhut, hellgrünem Hawai-Hemd und Herzchen-Sonnenbrille könnte man ihn als Tourist an der Akropolis verorten, wenn statt einer Gitarre eine Kamera um seinen Hals hängen würde.

Seine Mitstreiter hatten sich ebenso vom alten Image entfernt, Bassist Gustav Hjelm und Drummer Lars Sköld outen sich als Fans der schwedischen Rocklegende Eddie Meduza. Lediglich Gitarrist Thomas Wyreson, der auch mal wieder an Bord ist hielt ganz in schwarz das Klischee am Leben. Hier stand das Drumkit ebenfalls in der Ecke, doch wenn man eine Koryphäe wie Per Wiberg an die Tasten holt, muss man den schon einigermaßen prominent positionieren.
So musste tatsächlich das Wetter mitspielen und ein wenig Atmosphäre erzeugen, in der Tat regnete es ein paar Tropfen, aber nicht mal bodenbedeckt. Mit Titeln des phänomenalen „Wildhoney“-Werkes bekommt man aber heute immer noch jede Szenerie finster gemalt und gleichzeitig das Publikum auf Temperatur, wobei ja allzu große Reaktionen dann auch wieder nicht so recht ins Bild passen.

Ein wenig hat das Eröffnungsdoppel von seiner Faszination verloren, was einfach an der Darbietung lag, die ähnlich relaxt war wie das Auftreten der Band. Die Intensität früherer Tage wurde nicht erreicht. Dazu hatte man später auch nicht die stärksten Titel der Gothic-Rock-Ära ausgepackt, viel vom nicht ganz so gelungenen „Prey“, dafür nichts von „Skeleton Skeletron“. Lediglich der Auszug des eklektischen „A Deeper Kind Of Slumber“ neben dessen obligatorischen Opener versprühte den alten Zauber, vielleicht weil er im Original auch eher entspannt rüber kommt.

So war es an dem Gastkeyboarder für Akzente zu sorgen, indem er die Synthesizerlinien der „Clouds“-Tracks mit schweren Orgelklängen fütterte. Der Kniff verlieh ihnen eine feine Siebzigernote, die neben den harschen Riffs die Köpfe in der Menge in Bewegung setzte. Nicht verwunderlich, dass der Crack an den Tasten auch das finale Epos prägte, mit dem sich TIAMAT versöhnlich verabschiedeten. Der große Entertainer war Edlund noch nie, doch wenn man schon etwas Sphärik rausnimmt, sollte man zumindest etwas den Bewegungsradius erhöhen.

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Setlist TIAMAT:
Whatever That Hurts
The Ar
Divided
Cold Seed
Wings Of Heaven
Phantasma De Luxe
Cain
In A Dream
Vote For Love
The Sleeping Beauty
Gaia

SORCERER (Rockklassiker Stage)
Wenn es mit der Dunkelheit nicht so recht klappen will, wie man möchte, sollte man sich dahin zurück ziehen, wo wenigstens ein bisschen davon herrscht, das war in dem Fall im Zelt. Auch hier leider wieder kein großes Gedränge, womöglich blieben zu viele auf dem Weg dorthin im Biergarten des Eingangsbereichs hängen und schauten sich das ganze entspannt von der Ferne an. Dabei war der doomigste Act des Festivals wahrlich nicht gemacht, um entspannt mitzuwippen.

Im Gegenteil wie Gitarrist Peter Hallgren bewies, der obwohl er den Gig im Sitzen absolvieren musste, sehr viel Einsatz zeigte. Die Geschichte der Epic Doomer liest sich eigentlich wie ein Märchen, was es so nur im Heavy Metal gibt. Wo in anderen Genres selbst Hitlieferanten schnell im Nirgendwo verschwinden, kommen da Demobands nach Jahrzehnten plötzlich zu Erfolg, einfach weil sie noch was zu sagen haben und mit jedem Album stärker werden.

Bereits das Intro „Persecution“ vom aktuellen Longplayer „Lamenting Of The Innocent“ gab den Weg vor, bevor es mit „The Hammer Of Witches“ richtig losging. Schwer schleppende Doom-Riffs luden zum gepflegten Slo-Mo-Banging ein. Die Truppe webte einen dichten Klangteppich, die Gitarren walzten alles nieder und nahmen dennoch ein. An der Seite von Hallgren ist mittlerweile mit Kristian Niemann ein erfahrener Sechssaiter, der schon mit Schlagzeuger Richard Evensand bei THERION spielte und brillante Leads zauberte. Die Stimmung die von dieser Mischung erzeugt wurde war weit und majestätisch, ohne dass die Härte zurück geschraubt worden wäre.

Gipfeln tat das im Gesang von Anders Engberg, der zwischen kraftvollem Metalgesang und getragenen Melodien alternierte. Gerade wenn er viel Melodie verströmte legte sich eine Erhabenheit über das Zelt, die „Epic Fist“ wollte unweigerlich nach oben. Auch weil er jede einzelne Silbe großartig zu phrasieren verstand und damit die Eindringlichkeit steigerte. Oft stiegen seine Nebenleute bei den Refrains mit ein, was weitere Räume öffnete. Der Frontmann war der Mittelpunkt der Show, welcher die Menge immer wieder anfeuerte und über eine massive Präsenz verfügte.

Damit brachte man Epen wie „The Dark Tower Of The Sorcerer“ oder „Sirens“ gewinnbringend an den Mann, weil sie Nacken wie auch die Seele triggern. Von allen drei Alben der letzten Jahre gab es Kostproben, alle selbstverständlich in epischer Länge. Vielleicht hätte man sich eines der Cover gewünscht, mit der SORCERER in jüngster Zeit überzeugen konnten, es ist ihnen aber hoch anzurechnen, dass sie auf eigenes Material setzten. Höhepunkt war sicher der Titeltrack des letzten Werkes, dessen Ende auch vom Publikum mitgesungen wurde. Mit dem selbstbetitelten Demo-Stück ging ein vielversprechender Gig zu Ende, der noch eine coole raue Note mit einbrachte.

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NESTOR (Sweden Stage)
Überall erzählten mir die Leute von der Band, wobei ich bislang noch nie etwas von denen gehört habe. Die Herren hätten vor Jahrzehnten eine Karriere in Gang bringen wollen, wurden aber wie viele vom damaligen Zeitgeist ausgebremst. Ähnlich wie bei den Holland-Proggern GLAXY derzeit erscheint nun das Debüt mit einiger Zeit Verspätung. Erinnert auch an deren gerade eben Landsleute von SORCERER, und immerhin spielten NESTOR ebenfalls schon auf dem KEEP IT TRUE. Jedenfalls waren die Schweden aus dem Häuschen und tatsächlich waren vor der drittgrößten Bühne mehr Menschen als bei den Gigs, die ich an dem Festival dort gesehen habe.

Zu sehen gab es erstmal viel, ein Sänger im Glitzerhemd und Federschmuck, die Oberbekleidung der Saitenfraktion fast durchsichtig, der Keyboarder als postmoderner Gardeoffizier und auch sonst lag überall der Duft von Glanz und Glitzer in der Luft. Klar, solche Musik kann nur im Land der Elche alles überdauern, sie war hier nie weg, was auch viele aktuelle Bands belegen. So tönte es logischerweise total nach Achtzigern, aber das eben derart überzeugend, dass man dem Hype vertrauen konnte. Kein Klischee wurde ausgelassen, kein Pose, keine textliche Plattitüde, völlig egal, denn das machte Spaß ohne Ende und ließ den ganzen Platz hüpfen. Die Hooklines so unverschämt eingängig, dass man beim zweiten Chorus bequem miteinsteigen konnte.

Doch NESTOR sind weit mehr als das, was etwas käsig wirkte, hat absolut Stil und Klasse. Die Riffs von Jonny Wemmenstedt ließen es schön krachen, seine Soli besaßen für auf Fun getrimmte Mucke ordentlich Feeling. Martin Johansson war an den Tasten zwar präsent, verwässerte den Sound nicht, klanglich war das sehr gut ausgewogen. Auch im Rhythmusbereich klang das sehr kompakt, ebenso bei mehrstimmigen Chören.
Vom Auftreten her wirkten die Herren sehr sicher und eingespielt, was nicht selbstverständlich ist, wenn man so lange aus dem Geschäft ist. Klar sah man es Frontmann Tobias Gustavsson an, dass er im Gegensatz zu seinen Kollegen in den letzten Jahrzehnten einige Bühnen bespielt hat. Wie er sich auf der Bühne bewegt, sein Jonglieren mit dem Mikroständer und seine in den Höhen kraftvolle Stimme, so etwas lernt man nicht über Nacht.

Fast das komplette „Kids In A Ghost Town“ wurde aufgeführt, schon beim Opener „On The Run“ waren alle Hände oben. Mit „Stone Cold Eyes“ fegte man die letzten Zweifel weg und lieferte eine rassige Rockshow mit viel Bewegung auf der Bühne und ein paar Pyros. Für die Ballade „Tomorrow“ hatte man weibliche Unterstützung, allerdings nicht von Samantha Fox wie auf Platte. Keine Ahnung wie es den Jungs gelang, die Eighties-Ikone noch einmal hinter das Mikrofon zu bewegen.
Sogar beim Songwriting waren die Traumfrauen jener Epoche präsent, „Perfect 10 (Eyes Like Demi Moore)“ handelt ebenso von Sharon Stone und anderen Jugendfantasien. Mit „Signed In Blood“ und „A Loosing Game“ wurden noch zwei neue Titel gespielt, was Hoffnung macht, dass es weitergeht und die Fans noch weitere Möglichkeiten haben, den perfekt in Szene gesetzten Rock live zu bejubeln.

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SOCIAL DISTORTION (Festival Stage)
War auf der Hauptbühne schon zwei Tage zuvor bei VOLBEAT lässiger Chic angesagt, so kamen jetzt die Altmeister der Coolness. Ohne viel Firlefanz einfach in Jeans und T-Shirt gepackt bestimmten Schiebermützen, Hüte und natürlich Sonnenbrillen das Geschehen, bis hin zu einem Keyboarder, den sie hinter der Backline geparkt hatten. Schlenderten die Dänen noch über die Bretter, so war bei Mike Ness und seinen Mannen der Bewegungsablauf maximal mit Schlurfen zu bezeichnen. Die Gitarren hingen ganz tief, die von Ness war mit einer Rose verziert.

Hier stand der Pate des Punk auf der Bühne, tätowiert bis über die Halskrause, der ständig wie unbeteiligt nach unten blickte, als würde ihn das gar nichts angehen. Ebenso schlicht wie die Bühne, auf der lediglich das Logo groß als Backdrop hing. Hier wurden nur die Riffs sprechen gelassen, die Ness und Jonny „Two Baggs“ Wickersham locker raushauten.
Soli wurden zwischen den beiden aufgeteilt oder gerne zweistimmig gespielt, dabei ließ man sich Zeit und zog sie nicht so straff durch wie den Rest vom Set. Der immer leicht tänzelnde Brent Harding legte gemeinsam mit Dave Hidalgo Jr. das rhythmische Fundament. Wenn dann die Stimmung der Songs danach verlangte, legten sich alle bei den Backgroundchören ins Zeug, vor allem beim großartigen „Machine Gun Blues“, die Maschine lief bestens geölt.

Vom bislang letzten Album wurden die meisten Nummern gespielt, wie auch vom selbstbetitelten Longplayer wie das unvermeidliche „Sick Boys“ oder „She´s A Knockout“ und dem Klassiker „White Light White Heat, White Trash“ mit „Don´t Drag Me Down“ und „Gotta Know The Rules“. Das ideale Programm für die Fans, von denen viele extra einen Tag zum SwedenRock gekommen waren.
Alleine optisch waren diese schon zu identifizieren, wie ihre Helden ist ihr Punk nicht mehr von Aggressivität geprägt, sondern von einer legeren Haltung. Für so viel Liebe wurde mit „Tonight“ ein neuer Song präsentiert, der für das überfällige Album angedacht ist. Und zum Ende gab es standesgemäß „Ring Of Fire“, ein bereits bei der diesjährigen Ausgabe intoniertes Cover eines Künstlers, der mit seiner Haltung nicht so weit entfernt war.

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NIGHT RANGER (Rock Stage)
Jedes Jahr gibt es am letzten Tag einen Gig, der dieses unglaublich friedliche Feeling des Festivals noch einmal verstärkt und das gesamte Gelände damit tränkt. In dem Jahr kam die Rolle den amerikanischen AOR-Giganten zu, eine Sparte die bei der Ausgabe etwas unterrepräsentiert war. Schon der Einstieg war nach Maß, so einen Hit sparen sich andere bis zum Schluss auf, doch an dem Tag waren sich die Fünf ihrer Sache absolut sicher. In der Tat lachte die Sonne auf die Bühne und von dort herunter, Kalifornien war plötzlich überall.

Was da eine Spielfreude herrschte war unbeschreiblich, das Grinsen war den Herren gar nicht mehr aus dem Gesicht zu bekommen. Was sich sofort auf das Publikum übertrug, welches seinerseits alles zurück gab was da an Power ausstrahlte. Jack Blades hampelte von einem Bein auf das andere, in dem Schritt oft den kompletten Rand des langen Stegs zum Auditorium hin entlang. Unbändig wie ein kleines Kind erfreute er sich an jedem Feedback.
Brad Gillis kam vor allem für seine fulminanten Soli nach vorne, kniete dabei stets etwas ab und ließ jeden spüren, dass er mit vollem Herzen dabei ist. Keri Kelli kümmerte sich dann um die Seiten weit draußen uns spulte die meisten Meter herunter. Selbst Kelly Keagy hinter der Schießbude hatte trotz des härtesten Jobs permanent beste Laune. Damit er das Treiben ebenso gut beobachten kann wie seine Kollegen hat auch er sein Kit seitlich gedreht und gab fast einen Frontmann ab.

So geschlossen man auftrat, sich oft ganz vorne zu dritt in Reihe positionierte, so war auch das tighte Zusammenspiel. Die mehrstimmigen Refrains saßen ebenso wie die knackigen Riffs, alles kam auf den Punkt, hochprofessionell. Beim Leadgesang war zumeist Blades zu finden, doch auch hier wechselte man gerne durch. Bei der Bandhymne versammelte sich die gesamte Truppe um Schlagzeug von Keagy und holzte mit zehn Sticks drauf herum, wie ein paar zu groß geratene Kinder. NIGHT RANGER gaben an dem Tag der Musik viel von dem Spaß und der Unschuld zurück, die verloren ging.

Da war es egal, was gespielt wurde, wobei wie zu erwarten die beiden ersten Scheiben den Löwenanteil im Set stellten. Leider wurde der Filmhit „Secret Of My Success“ weg gelassen, man entschied sich lieber für zwei Tunes aus der DAMN YNKEES-Historie des Bassisten und Sängers. Gerade die Megaballade kam bestens an und wurde lauthals mitgesungen, auch wenn man dem Titel entsprechend mit der Stimme hoch gehen musste. Nicht zu vergessen, die Stimmbänder der munter feiernden Fans hatten schon einiges wegstecken müssen.
Und dann natürlich die vom guten Kelly gesungene Pianoballade, mit der einst etwas unkonventionell „Midnight Madness“ begann. Das sind die Lieder, die alles vereinen, die ein Open Air zu einem Festival machen. Alles sprang und hüpfte, lag sich in den Armen, das gesamte Gelände sang mit, teilweise wurde die Band übertönt. Das sind einfach die Momente, die es festzuhalten gilt. Noch einmal Gas geben und zum Ausklang munter solieren, dann musste sie leider schon wieder ziehen lassen.

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Setlist NIGHT RANGER:
(You Can Still) Rock In America
Touch Of Madness
Four In The Morning
Sing Me Away
Coming Of Age
Breakout
Night Ranger
High Enough
When You Close Your Eyes
Sister Christian
Don´t Tell Me You Love Me

WALTER TROUT (Silja Stage)
In den letzten Jahren hat sich er Verfasser dieser Zeilen verstärkt mit dem Blues beschäftigt, WALTER TROUT war da eine der Künstler, bei denen ich mich fragte, warum ich die nicht schon Jahrzehnte früher entdeckt habe. Etwas schade, so einem begnadeten Musiker nur eine Stunde Spielzeit zu gewähren, aber da musste eben die Intensitätsschraube etwas angezogen werden. Der Eröffnungstrack seines Solodebüts „Tellin´Stories“ gab wie immer den Opener und der gute Walter hatte eine Menge zu erzählen, eine Menge aus dem Leben, eine Menge vom Staub der Straße, Staub der ihn geprägt hat.

Mehr Blues wie der Mann kann man nicht haben, er tat weit mehr als ihn nur zu spielen, er lebt ihn mit jeder Faser. Im Gegensatz zum Konzert im letzten Herbst hat er auch ein paar mehr Fasern am Körper zugelegt. Und mit jedem Gramm, dass auf seine Rippen kommt nach seinen schweren gesundheitlichen Problemen kommt die Kraft zurück. Die Kraft mit der er seine Songs heraus röhrte, die Kraft mit der er in die Saiten schlug, die Kraft mit der er auf der Bühne rumturnte. Trout ist eine Naturgewalt, die jeden mitnimmt in seine musikalische Welt.

Dabei besitzt er ein unglaubliches Feeling, welches tatsächlich nicht durch die Power seines Auftretens beeinträchtigt wurde. Seine Hände berührten die Saiten sanft, wenn es von Nöten war, glitten immer leicht darüber, auch wenn der Anschlag hart durch die PA blies. Bei Bluesmusikern ist ja üblich jeden Ton mitzuleben, doch niemand tut dies so exaltiert wie dieses Urgestein.
Er hampelte herum, schüttelte seinen ganzen Körper, seine Hände gestikulierten wild, wenn er zu Rhythmusbegleitung sang. Den Stratocaster wirbelte er umher, riss ihn immer wieder hoch, wenn er dessen Saiten weit dehnte. Die Verkörperung des Blues, dem man die Geschichten abnimmt, von denen er singt, speziell wenn es um seine lebensbedrohliche Erkrankung ging. Und wenn es dann sentimental wurde, sang die Gitarre in den wärmsten Tönen.

Da hatten seine Mitmusiker Mühe Schritt zu halten, die bis auf Schlagwerker Michael Leisure die Selben waren wie im Herbst, Juan Van Emerloot ist derzeit mit SNOWY WHITE im Studio. Doch er machte ebenso viel Dampf, was man tun muss, wenn man mit dem guten Walter die Bühne teilt. Johnny Griparic tänzelte um seinen Bandleader umher, wie immer lässig mit Truckermütze und Fliegersonnenbrille.
Wenn noch mehr Feuer im Kessel benötigt wurde sprang Andrew Elk mit auf die Bühne und brachte eine zweite Gitarre und Singstimme an den Start. Rau war der Gesang, doch dies war eben kein Hochglanzblues, wie ihn JOE BONAMASSA oder ANA POPOVIC bieten, rau und unverstellt ging es zu Werke, absolut grundehrlich, und dennoch mit musikalischer Finesse. Das kam auch beim Publikum an, welches munter mitging, wenn es nicht gerade wieder mit Szenenapplaus beschäftigt war, den sich das Ensemble im Akkord verdiente.
Liebster Partner auf der Bühne war Tastenmann Bob Frizdema, mit dem sich WALTER TROUT atemberaubende Duelle lieferte. Beim Spiel legte jener eine ebensolche Energie an den Tag, riss immer wieder die Arme hoch, wandte sich ebenso dem Publikum zu. Die beiden beobachteten ständig was der andere tat, die Kommunikation mündete in einer gemeinsamen Euphorie.

Blues hat noch selten so viel Spaß gemacht, dabei so berührt, so dass man nach einer Stunde mit allen Sinnen mitgenommen war. Im Zentrum standen wie auch bei der Tour natürlich seine jüngsten Werke, wobei hier von „Ordinary Madness“ nur ein Stück kam. Bei allen anderen Gigs wurde „All Out Of Tears“ gespielt, an dem Abend durch ein Lied es selten berücksichtigten „Prisoner Of A Dream“ ersetzt. Doch angesichts einiger persönlicher Tragödien in der Zeit um das Festival herum vielleicht die bessere Idee. Denn ich hätte sicher ein paar Tränchen beizusteuern gehabt, so verließ ich eher glücklich den Ort des Geschehens.

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Setlist WALTER TROUT:
I Can Tell
Walking I The Rain
Wanna Dance
Say Goodbye To The Blues
Almost Gone
Playin´ Hideaway
We´re All In This Together
Red Sun

WITHIN TEMPTATION (Rock Stage)
Im Prinzip gibt es nur zwei relevante Symphonic Metalacts, beide waren in dem Jahr beim SwedenRock zugegen. Wo die Finnen noch mitten in die Nacht platziert wurden, erwischten die Niederländer den besten Slot al Headliner der zweitgrößten Bühne. Wie schon bei ihrem letzten Gastspiel erwies sich die lange Pause auf jener nach NIGHT RANGER als Segen, denn so konnte die komplette Produktion aufgefahren werden.
So ein riesiger Kopf, der auch mal auseinander gefahren werden konnte oder leuchtete, machte was her. Dahinter ein Backdrop mit mehreren Videoinstallationen gleichzeitig, die vom Band eingespielte Gastsänger zumindest visuell sichtbar machte. Besagter Kopf teilte die Rampen in zwei Teile, so dass der Schlagzeuger wie öfter an dem Wochenende wieder in der Ecke saß. Und in Sachen Pyroshow stand der Sechser NIGHTWISH kaum in etwas nach.

Dabei bräuchte man den riesigen technischen Aufwand nicht, denn mit Sharon Den Adel hat man eine Frontfrau, welche die Show alleine zu führen in der Lage ist. Selbst wenn man sich auf optische Reize konzentriert, die vielfältig waren bei dem Bühnenaufbau, weiß sie auch dort heraus zu stechen. Im Goldschuppen-Bustier, vorne sehr kurzem Rock und auffälligen Haarreif war die Dame wieder heiß gestylt, nur ihre Präsenz würde da schon ausreichen.
Nur gibt sie sich selbst nicht damit zufrieden, turnt mit bester Laune über die Bretter, ist überall zu finden, bei ihren Kollegen, sowie an den äußeren und vorderen Rändern der Bühne. Dabei immer auf Kontakt bedacht, und mit viel Freude am lautstarken Jubel der ihr entgegen brandete. Kein Wunder, über all dem Temperament und der Anstrengung vergaß sie nie ihren Gesangsbeitrag, der bis in schwindelerregende Höhen sauber und kräftig rüber kam.

Da standen die Herren schon etwas im Schatten, auch weil bei ihr alles so spielerisch leicht wirkte. Jeroen Van Veen war an den vier Saiten der Ruhepol, während sich vor allem der schwedische Gitarrist Stefan Hellebald die Hacken wund lief. Einmal überließ ihm die gute Sharon das Mikrofon, damit er eine umjubelte Ansage in Landessprache tätigen konnte. Hier war einer Formation anzusehen, wie sehr sie die Liveatmosphäre vermisst hat, das Lächeln in jedem Gesicht, diese Spielfreude, fast wie bei NIGHT RANGER an gleicher Stätte zuvor.

Dabei fraß WITHIN TEMPTATION das Publikum aus der Hand, kein Wunder, wenn man mit drei solchen Hits eröffnet. Erst an vierter Stelle kam ein Auszug aus dem umstrittenen „Resist“-Longplayer, von welchem aber nicht übermäßig viele Nummern gebracht wurden. Dafür musste leider der ein oder andere Fanliebling wie „Iron“ weichen. Bei aller Euphorie war nicht zu verhehlen, dass in der Mitte die Spannung etwas nach ließ.
Alle drei zuletzt veröffentlichten Singles ins Programm zu nehmen war nicht die beste Idee, so dass sich das Feuer vor der Bühne ein wenig abkühlte. Was kein Wunder ist, muss man doch mehr zuhören, anstatt sattsam Bekanntes abzufeiern. Manch noch moderneres Riff benötigt eine gewisse Eingewöhnungsphase. Hier wäre eine bessere Durchmischung sinnvoll gewesen, zumal Leute wie ich die Non-Album-Tracks gar nicht kennen.

Auf der Zielgeraden herrschte dann wieder Überschwang, der erste der Klassiker von „Mother Earth“ sorgte für anständigen Hüpfalarm, für das „OhOh“ wurden nach vier Tagen die letzten Kräfte mobilisiert. Sharon Den Adel musste ebenso alles aus ihren Stimmbändern rausholen und setzte den bisherigen Höhen noch einen drauf. So wie ihre Melodien wogten, wogten auch die Hände im Publikum, da sprühten die Funken, dass das Feuerwerk Mühe hatte hinterher zu kommen. Im direkten Vergleich mit der Konkurrenz hatten die Holländer klar die Nase vorne, weil sie deutlich zugänglicher agierten.

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Foto mit freundlicher Genehmigung von Anna Karlsson

Setlist WITHIN TEMPTATION:
One Solemn Hour
Faster
Paradise (What About Us?)
The Reckoning
In The Middle Of The Night
Stand Your Ground
Entertain You
Shed My Skin
What Have You Done
We Run
The Purge
Raise Your Banner
Supernova
Ice Queen
Stairway To The Skies
Mother Earth

GUNS ´N´ ROSES (Festival Stage)
Alles war angerichtet, der große Headliner zum endgültigen Abschluss konnte kommen. Viele haben lange darauf gewartet, einige ihr ganzes Leben. Eine der Rocklegenden schlechthin, die einstmals gefährlichste Band wollte zeigen, was sie heutzutage noch drauf hat. Eines hat sich auf jeden Fall nicht geändert: Wenn ich gewusst hätte wie spät sie wieder auf die Bretter steigen, hätte meine Wenigkeit den Rest des Symphonic Bombasts auf der gegenüberliegenden Bühne aus der Nähe angeschaut. Auch eine viertel Stunde später hätte ich meine Freunde noch gefunden bei so viel Anlauf. Fotografieren war ohnehin nicht drin, die Starallüren wurden voll ausgekostet.

Es ging gut los, zwei Songs des sagenumwobenen Debüts „Apettite For Destruction“ waren zweimal gelebte Musikgeschichte. So auf Distanz gesehen war das allerdings eher Masse statt Klasse, denn vor allem der Gesang von Axl Rose hatte in den letzten Jahren doch sehr gelitten. Es hatte nur noch Mühe die hohen Töne zu treffen, was nicht immer gelang. Die Emotionalität, welche sein Organ früher transportierte war völlig abhandengekommen. Dazu hatte er textlich so einige Hänger, dass man sich fragte, wer nun falsch lag.
Von der einst ruhmreichen Band fehlte auch das ein oder andere, die Produktionen in den Neunzigern waren doch größer. Wo waren die Riser rund um das Schlagzeug, auf der früher viele Begleitmusiker Platz fanden. Auch das Piano des Sängers musste reingeschoben werden und stand nicht die ganze Zeit oben. Schlagzeuger Frank Ferrer stand auf eher niedrigerer Ebene als Matt Sorum, fand trotz der Nähe irgendwie nicht den Draht zu seinen Bandkollegen herzustellen.

Natürlich sind die beiden alten Recken Slash und Duff McKagan immer Fixpunkte und große Musiker. Dem Gitarrenheld passte der Zylinder immer noch wie angegossen, sein Spiel von Feeling geprägt, großartig anzuschauen, daher oft auf der Leinwand für alle überlebensgroß zu sehen. Magisch glitten seine Finger über das Griffbrett, während er sich in die lässigsten Posen warf, dabei gerne lässig über den Monitorboxen hing.
McKagan sammelte gleich Sympathiepunkte, als er mit Schweden-Trikot auflief, nicht nur bei ihm sollte die Garderobe öfter wechseln. Der drahtige Schlacks ist heute sowas wie die Eminenz des Punk, stets aufrecht und mit Haltung, mit welcher er über die Bühne schlurfte. Richard Fortus war da agiler, sprang gerne umher und ließ seine Arme eine Windmühle nach der anderen drehen. Warum da zwei Keyboarder saßen, konnte keiner so recht erklären, von Melissa Reese blieb nur je eine blonde und blaue Seite der Haarpracht im Gedächtnis.

Nur ein Indiz für das mangelnde Bandgefüge, vielmehr stand da oben eine Zusammenstellung von Solokünstlern. Nur selten gab es gemeinsame Kommunikation oder Interaktion. Fast schien es die seitlichen Absperrung zu den Rändern der Bühne wären dazu da, dass man sich nicht vollständig aus dem Weg gehen konnte. Augenblicke wie in der Zugabe als sich die Drei an den Saiten mit Klampfen auf dem Drumriser niederließen waren rar gesät. Dabei baute man Versatzstücke aus „Only Women Bleed“ von ALICE COOPER ein, andere Nummern wurden komplett gecovert. Fehlen durfte dabei auf keinen Fall eine Reminiszenz an das Gastspiel des Frontmanns bei AC/DC.

Was am Ende die ganze Sache in die Länge zog, vor allem weil in der ersten Hälfte viele Titel auf dem Plan standen, bei denen sich die Musiker fragten, ob sie das überhaupt schon aufgenommen hätte. Auf Material von „Chinese Democrazy“ wurde ebenso wenig verzichtet wie von Projekten der Marke VELVET REVOLVER. Viele Zuschauer begannen sich zu fragen, wie man die ganzen Klassiker noch in der Zeit unterbringen wollte. Es kamen alle, auch die an die man gar nicht mehr gedacht und welche, die niemand auf der Rechnung hatte. Am Ende sollte der übliche gewaltige Schlusspunkt mehr als eine Stunde später gesetzt werden als ursprünglich geplant.

Es sollte klar gesagt werden, dass aufgrund von vier Tagen Festival, das den Menschen in den Knochen steckte ein Drittel obsolet war. Das nahm der Show immer wieder Schwung, ließ die Zuschauer manchmal ratlos dreinblicken. Am Ende wurde es noch die große Party, jeder mobilisierte die allerletzten Reserven, vielfach half nur noch Wick Blau. Eine Reihe Hymne für die Ewigkeit wurde abgefeiert, Axl Rose konnte sich infantile Späße erlauben, das versöhnte für vieles. Am Ende bleibt aber die Erkenntnis, dass man nicht annähernd an die Leistungen dran kommt wie ich sie in meiner Sturm – und Drang-Zeit erlebt habe.

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Foto von Tim McWilliams

Setlist GUNS ´N´ ROSES:
It´s So Easy
Mr. Brownstone
Chinese Democrazy
Slither
Welcome To The Jungle
Better
Double Talkin´ Jive
Reckless Life
Live And Let Die
Back In Black
Shadow Of Your Love
Estranged
Rocket Queen
You Could Be Mine
I Wanna Be Your Dog
Absurd
Hard Skool
Civil War
 -Gitarrensolo-
Sweet Child O´Mine
November Rain
Knockin´ On Heaven´s Door
You´re Crazy
Nighttrain
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Coma
Patience
Wichita Lineman
The Seeker
Paradise City


Fazit:
Was hörten wir Horrorszenarien bezüglich des Wetters, wie katastrophal waren die Vorhersagen eine Woche zuvor. Mit jedem Tag, wo das Festival näher rückte wurden sie besser, die Regentage variierten je nach Quelle, wurden aber weniger. Am Ende gab es jeden Mittag einen Nieselschauer, der viele Wolken gegen die hochstehende Sonne mit sich brachte, mehr nicht, irgendwer scheint das Event zu lieben.

Es war wie Heimkommen, endlich nach drei Jahren, aber es war als käme man heim zur Familie. Ja, SwedenRock ist Familie, trotz der Größe traf man vertraute Gesichter wieder, manche Security stand immer noch auf dem Platz, an dem sie die Jahre zuvor stand, vieles hatte sich nicht verändert. Das erleichterte es sich hier fallen zu lassen, und die Ereignisse der letzten Jahre, vielleicht auch die Angst abzuschütteln. Auch das freundliche Wesen der Schweden, hier geht jeder mit einem Lächeln über das Gelände, auch die arbeiten müssen. Die Stimmung hier ist etwas ganz Besonderes, so friedlich, so ungezwungen aber nie völlig überdreht. So mag man keine Crowdsurfer oder massive Pits, spendet lieber laut Applaus und singt mit. Es wird alles getan, damit sich die Zuschauer rundum wohlfühlen.

Das fängt schon damit an, dass die Leute Campingstühle mit rein nehmen dürfen. In dem weitläufigen Gelände findet sich genug Platz, um sich gemütlich hinzusetzen, gerne auch in Reihen wie im Kino zwischen Rock Stage und Festivals Stage. Wenn ein Konzert zu Ende ist und die Massen zur nächsten Bühne strömen kommt sofort das Kehrteam und räumt den groben Dreck weg. Dabei haben die Jungs und Mädels ihren Spaß, man erwischt einige, die auf dem Fächerrechen Luftgitarre spielen. Was hierzulande für Kontroversen sorgen dürfte ist das Rauchverbot auf dem Gelände, hierfür wurden nur ein paar Zonen eingerichtet. Ich habe mir sagen lassen, dass dies in Schweden gesetzliche Vorschrift sei.
Wegen der Gesundheit findet man auf dem SwedenRock auch keine Toilettenboxen mehr. Alles läuft hier über Spültoiletten, von denen sich an jeder Bühne welche in Reichweite befinden. Auch auf den Campingplätzen ist die Sanitärsituation hervorragend, es stehen ausreichend Duschen und Spültoiletten zur Verfügung. Dazu hat man die Auswahl zwischen den nahen, eher Party-mäßigen Campingplätzen und ruhigen kleineren um das ganze Gelände herum.

Dazu werden überall Hütten und Häuser angeboten, manche zelten dort auch im Garten. Durch die kompakte Verteilung gibt es nirgends lange Wege zu gehen, das Gelände ist von überall in zwanzig Minuten zu erreichen. Ich zog es vor auf dem ganzjährigen Tredenborgs Camping im Süden der Stadt zu übernachten und täglich hinzufahren. Da man in Mission auf dem Festival wenig Zeit zum Essen findet, nutzte ich den Vorteil einer fest installierten Küche.
Was alle Unterkünfte ebenso eint ist die Nähe zum Meer, überall sah man Headbanger bei den doch angenehm warmen Temperaturen ein kurzes Bad darin nehmen. Hauptanziehungspunkt war wie immer der Strandbiergarten am Norje Boke Campingplatz direkt neben dem Gelände. Am zweiten Tag nutzte ich die sich bietenden Möglichkeit und warf mich in die Fluten. Hier hatte das Tredenborgs Camping einen eigenen Steg, von dem man bequem ins Wasser gelangen konnte. Soll übrigens die Nackenmuskulatur entspannen, was bitter nötig ist. Und wer nicht ins Wasser will, der genießt zumindest das herrliche Panorama, das teilweise vom Konzert aus möglich ist.

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Photo mit freundlicher Genehmigung von David Fhärm

Ebenfalls immer hervor gehoben werden muss die Essensauswahl auf dem Gelände, die vielfältiger nicht sein könnte. Kaum eine Nationalküche, die nicht vertreten wäre. Sei es amerikanisch, thailändisch, chinesisch, ungarisch, kroatisch, italienisch, mexikanisch, belgisch, deutsch, französisch, griechisch sowie selbstredend die nationale schwedische Küche mit Leckereien wie Kroppkakor. Von den Portionen immer ausreichend bis hin zu ganzen Pizzen im Karton hielten sich Preise und Wartezeiten ebenso in Grenzen. An Getränken fand sich eine ebenso reichhaltige Auswahl, zumal Trinkwasser überall gratis zu zapfen war. Ganz viel Mühe machten sich die Stände bei den Süßspeisen, die reichhaltig dekoriert waren. Zum ganzen Glück fehlt mir leider immer noch frisches Obst, was ich schon öfter angesprochen habe, wie ich es schon anderswo auf Festivals erlebt habe.

Dass Vielfalt Trumpf ist sieht man auch alljährlich bei der Bandauswahl, welche in diesem Jahr wieder das ganze Spektrum von Punk bis Prog, von Blues bis Extrem Metal, vom Power Trio bis zur Big Band abbildete. Da die Veranstalter bemüht sind, bei parallel stattfindenden Konzerten stilistisch eher gegensätzliche Acts zu platzieren hielten sich die Überschneidungen in Grenzen, konnten aber nicht ganz vermieden werden. Bis auf die ersten Künstler des Tages bekommt auch jede eine Stunde Spielzeit, was für einige kleinere Bands schon eine Chance war.
Größere Gruppen konnten bei eineinhalb Stunden schon fast ihr ganzes reguläres Programm abziehen. Die langen Umbaupausen eröffneten zudem die Möglichkeit auf den Bühnen die komplette Produktion aufzustellen, mit all den Rampen, speziellem Licht, Requisiten und Pyros. So kam der Zuschauer tatsächlich oft in den Genuss ganzer Showcases, die sonst den Tourkonzerten vorbehalten sind. Negativ muss man jedoch anmerken, dass der Sound nicht immer so gut war wie gewohnt, da musste man scheinbar nach drei Jahren wieder reinfinden.

Besonders auf der Rock Stage war das Klangbild dumpf, weiter außen schon grenzwertig. Was öfter zum Einsatz kommen sollte war die neue Rampe ins Publikum, welche nur am Donnerstag vor der Hautpbühne aufgebaut war. Im Gegensatz zu früheren Jahren war diese abschüssig, so dass man ganz vorne unten fast auf Augenhöhe mit dem Zuschauern stand. Für die Fankommunikation Gold wert, eröffnete sie den Fotografen ebenso neue Blickwinkel.
Ebenso kultig sind die Ansagen von vielen Shows, für welche die Radiomoderatoren Melker Becker und Mattias Lindblad sowie der Filmkritiker Ronny Svensson, alle selbst Fans auf die Bühne kommen. Letztgenannter tritt immer in ulkigen Hawaii-Hemden auf, während die beiden anderen als Duo im Hipsteroutfit daher kommen. Ich verstehe zwar nicht, was die Herren erzählen, die Lacher haben sie auf ihrer Seite. Vor allem weil das Radio-Doppel ihr Publikum herrlich ironisch mit "Satan´s People" begrüßt.

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Foto mit freundlicher Genehmigung von David Fhärm

Wie immer hebe ich mir die Security als Letztes auf, weil diese Menschen den großen Unterschied zu anderen Festivals machen. Wo hierzulande Securities immer meinen, sie müssten die Fans maßregeln, fast schon erziehen, sehe die Beschäftigten sich als Personal, das für die Zuschauer sorgt. Henrik, der Kopf des Silja Stage-Teams erzählte mir, dass es ihn froh macht, für andere da sein zu können, das merkte man dem gesamten Team an. Ob nun Sven an der Rock Stage, Kevin an der Festival Stage oder Johan, der Chief der Rockklassiker Stage, sie alle waren immer sehr freundlich und hilfsbereit.
Das fängt schon an, dass während den Konzerten immer Trinkwasser an die ersten Reihen gereicht wurde. Hier hatten die Leute im Graben ein Auge dafür, wer nun am meisten schwitzte und boten es da öfter an. Auch bei kleinen Verfehlungen wie beim Partner auf den Schultern sitzen gab es keine große Standpauke, sondern eine nette Bitte, das zu unterlassen. Da leistet man lieber Folge, als wenn es von oben herab diktiert werden würde. Respekt muss auf beiden Seiten vorhanden sein, und den erarbeitete man sich auf dem Festival über Jahre hinweg, so dass es ein wunderbares Miteinander ist.

Es tut den Security auch gut, wenn sie sehen, wie sehr die Leute Spaß haben, weil sie auch wissen, dass in jedem Falle für sie gesorgt werden würde. Auch selbst schienen einige Spaß an der Musik zu haben, manchmal ging der Kopf schon rum oder wurde mitgesungen. Nun ist das aber keinesfalls eine Spaß-Security, schon der Wechsel an den Positionen zeigte die Disziplin, mit der zu Werke gegangen wurde. Und sie können auch anders, wenn wirklich jemand jegliche Regeln des gesitteten Zusammenlebens ignoriert. Da gab es schonmal Applaus von der Meute auf der anderen Seite des Zauns.
Was am meisten beeindruckt ist deren Aufmerksamkeit, einer jungen Frau fielen während GUNS ´N´ ROSES die Augen zu, obwohl sie in der siebten oder achten Reihe stand fiel das der Security auf - mitten in der Nacht. Dann wurde auch nett nachgefragt, ob alles in Ordnung sei und sie etwas trinken wolle. Viel zu tun hatten sie nicht, so fielen sie kaum auf, hatten aber wie die Ordnungskräfte eine beruhigende Präsenz.
Wenn ich das Ehepaar Todd und Linda, welche die Security an der Hauptbühne koordinieren sehe, wie sie locker an den Boxen lehnen, und dem Treiben zuschauen, dann ist die Welt in Ordnung. Dann weiß ich, dass es in einer immer mehr aus den Fugen geratenden Welt einen Rückzugsort gibt, wo man alles hinter sich lassen kann. Ihr findet ihn auf dem SwedenRock!

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Alle Fotos, sofern nicht anders vermerkt, von Rainer Petry.


Weitere Fotos vom Sweden Rock gibt es >hier<

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