SwedenRock Festival - Sölvesborg - Mittwoch, 08.06.2022

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Mittwoch, 08.06.2022

VA ROCKS (Silja Stage)
So war es dem schwedischen Trio vorbehalten, den Startschuss zu setzen. Natürlich war die Euphorie groß als nach drei Jahren wieder Livemusik durch die Norje Bucht schallte, so viel war an der zweitkleinsten Bühne nur selten los in den folgenden Tagen. Nach dem Corona-bedingten Aus für den PA-Verleiher 4Sounds wurden diese Bretter nach eine Schifffahrtgesellschaft benannt, die viele der 40.000 Gäste dorthin brachte.
Mittelpunkt der Show war sicherlich Frontfrau Ida Svensson Vollmer, die ihren Expander kraftvoll traktierte und ihre Vocals schön rau hinaus schrie. Wobei Mittelpunkt nun nicht so passt als Begriff, denn sie nahm am linken Bühnenrand Platz. Auch wenn die Bretter die man bespielte nicht die längsten war, klaffte in der Mitte doch ein Loch, welches der neue männliche Schlagzeuger nicht zu stopfen vermochte.

Gab die gute Ida eher ein kerniges Bild mit engen Hosen und Body sowie Jeansjacke ab, so setzte Bassistin auf der rechten Außenbahn eher auf Chic. Die Fransenjacke war durch den transparenten Korpus des Langholzes gut zu sehen. Leider zogen sich die Gegensätze nicht an, so dass gerade Wedding zu lange auf ihrer Position verharrte. Ihre Kollegin unternahm öfter Ausflüge an die Seiten der Bühne vor den Boxenwänden und einmal sogar in den Fotograben, wo sie direkt vor der Menge solierte.
So musste die frühere Schlagwerkerin Frida Rosén das ganze zusammen halten, als sie für drei Titel zu ihren alten Freundinnen stieß. Optisch setzte sie mit schwarzem Lederkleid, pinken Haaren und ebensolchem Schleier dem Ganzen die Krone auf. Doch mit ihrer Unterstützung und ihrem Enthusiasmus gelang es endlich Verbindung zueinander aufzubauen, die sich dann noch mehr auf das Publikum übertrug.

In kleinen Clubs wären VA ROCKS besser aufgehoben gewesen, zumal sich ihr Riff Rock zu sehr an THUNDERMOTHER anlehnt. Da kann vor allem bei Vollmer die Attitüde stimmen, die herrlich rotzig daher kam. Ihre Licks schüttelte sie lässig aus dem Ärmel und drückte die Saiten schön nach vorne. Doch Titeln aus ihrem Album „I Love VA Rocks“ wie „The Code Of The Road“, „No More Fucks To Give“ oder „Here Comes Trouble“ fehlt das gewisse Etwas, um aus deren Schatten heraus zu treten. Abgefeiert wurden die Mädels dennoch, zu lange musste man auch darauf warten.

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FREEDOM CALL (Rock Stage)
Die nächste Ehre wurde den deutschen Power Metallern zuteil, die als erste Band überhaupt mittwochs die zweitgrößte Bühne entern durften. Und bei der sich immer mehr heraus wühlenden Sonne konnte ich mir keine bessere Gruppe vorstellen, welche das typische Festival-Feeling vermitteln konnte. Manch einer mag ihre Songs durchaus käsig nennen, an so einem Tag zu so einem Anlass kommt genau das gut. Zumal die Refrains nicht schwer wie der Käse im Mage lagen, sondern ganz leicht ins Ohr gingen. Mit derartigem europäischen Metal kann man im Land der Elche durchaus Staat machen und FREEDOM CALL nutzten ihre Chance.

Mit zunehmender Spieldauer fanden sich immer mehr Leute ein, was nicht nur daran lag, dass sich das Gelände füllte, sondern dass die Stimmung auch bis weit weg von der Bühne schwappte. Chris Bay hatte sein Publikum voll im Griff, animierte es immer wieder und war ständig auf der Rampe vorne zu finden, so dass er es oft gerade rechtzeitig zu seinen Einsätzen zurück schaffte. Klar ist der Metal, der gerne von Schlösser und Feen singt ein Stück weit Eskapismus, gerade deswegen war er an dem Tag so wichtig, dass man als Zuschauer mal alles an schlechten News hinter sich lassen konnte.

Neben Bay grinste speziell Bassist Francesco Ferraro mit ihm um die Wette und nutzte die Größe der Bühne ebenfalls aus. Lars Rettkowitz konzentrierte sich ein wenig mehr auf sein Spiel und seine Soli, kam aber mit nach vorne, wenn die ganze Truppe sich vorne aufreihte. Mit Timmi Breideband fand man auch jemanden, der alles zusammen zu halten wusste, auch wenn seine Bassdrum zu dominant war. Die Soundprobleme mit zu viel tiefen Frequenzen bekam man auf der Rockstage leider bis zum Ende nicht vollständig in den Griff. So blieben Teile des guten Zusammenspiels auf der Strecke, was die Band aber mit ihrer Spielfreude wettmachen konnte.

Dazu hatte man von fast allen Alben etwas im Gepäck, damit für jeden was dabei war. Die Leidenschaft der Musiker griff auf das Publikum über, welches sich über die feine Mixtur aus mitsingkompatiblen Liedern und knackigen Riffs zum Bangen freute. So wenig sie die Klischees ernst nehmen, so gerne bemühen die Deutschen diese. Bay ist Metaller durch und durch, auch wenn Kritiker das gerne anders sehen.
Wenn er da oben stand und verkündete, es wäre Friede auf Erden, wenn es nur noch Metaller geben würde, dann meinte er das verdammt ernst, nicht nur als Floskel. Mit solchen Statements holt man das Publikum natürlich ab, das diese Aussage lautstark feierte. Es für eine eher kleine Combo schön zu sehen, dass sie auf so einem Event richtig abzuräumen wusste und das erste Ausrufezeichen setzte.

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Setlist FREEDOM CALL:
Union Of The Strong
Tears Of Babylon
Spirit of Daedalus
Sail Away
M.E.T.A.L.
Freedom Call
Power And Glory
Metal Is For Everyone
Warriors
Far Far Away
Land Of Light

JEAN BEAUVOIR (Sweden Stage)
Ganz so großes Kontrastprogramm legte der ewige Paradiesvogel nicht nach, auch bei ihm blieb es in der melodischen Schiene. Zu Beginn setzte es eine Reihe von Songs aus der CROWN OF THORNS-Ära wie „Dying For Love“ oder „Hike It Up“. Hier zeigte sich wie sehr das soulige Organ von Beauvoir die Songs prägte und dem Hard Rock eine interessante Komponente hinzu fügte. Nicht nur war er bestens bei Stimme, auch seine Mitstreiter wie der BLACKFOOT-Gitarrist Tim Rossi beschertem ihm eine sehr tighte und gefühlvolle Performance. Die warme Stimmung der Songs wurde weiter vom mitunter besten Sound des Festivals getragen.

Jene Begleitband kam zwar mit einer ordentlichen Rockstar-Attitüde daher, hielt sich aber in Sachen Bühnenpräsenz vornehm zurück und war nur wenig unterwegs. Die Coolness wurde sogar bei den hardrockigeren VOODOO X-Titeln vom Schlage „I´m On Fire“ zur Schau gestellt. Wenn man allerdings so einen Frontmann wie JEAN BEAUVOIR hat, dann ist die Bühne für einen selbst zu klein. Immer noch mit dem auffälligen platinblonden Mohawk ausgestattet war er der Blickfang, der auch ständig umher spazierte und viel Kontakt zum Publikum hielt. Einige launige Ansagen sorgten ebenfalls für Sympathiepunkte, mit dem Charisma eroberte er sein Publikum.

Es bedurfte allerdings Auszügen aus einigen der vielen Kollaborationen, an denen der Mann im Laufe seiner vierzigjährigen Karriere beteiligt war, um die Menge so richtig in Fahrt zu bringen. Für KISS schrieb er einige Titel, als deren Kreativitätskurve in den Achtzigern unten war, „Uh! All Night“ wurde von vielen anwesenden Fans mitgesungen. Als ganz große Hymne entpuppte sich jedoch der RAMONES-Gassenhauer „Pet Semetary“, an welcher er als Produzent beteiligt war, keiner der da nicht mitgesungen habe dürfte. Solche Nummern braucht ein Festival, um alle miteinander zu vereinen, die so lange getrennt waren.

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EVERGREY (Rock Stage)
Nun wurde es eine Spur dunkler, doch das Wetter wollte da glücklicherweise nicht mitspielen, was es das ganze Festival über tat, und Acts wie den schwedischen Prog-Metallern das Leben etwas schwer machte. Die Mischung aus getragenen melancholischen Hymnen und feinen Staccato hätte ein späterer Zeitpunkt gut getan. Was Tom Englund und seine Mannen nicht daran zu hindern eben das in großartiger Manier von der Rampe zu hauen. Der Sänger und Gitarrist war bester Laune und begrüßte immer wieder Musikerkollegen, die er im Publikum erspähte.

Musikalisch lief der Motor ebenso, stimmlich war der Bandboss voll auf der Höhe, brachte begnadete Melodien wie „Distance“ wunderschön rüber. Ebenso zockte er im Verbund mit seinen Mitstreitern die harten Riffattacken schön derbe und auf den Punkt, so dass auch im Publikum viele Matten geschwenkt wurden. Auf der Bühne war es nicht nur das Haupthaar das wehte, Englund und der zweite Gitarrist Henrik Danhage haben zwar auch stattlichen Bartwuchs, bei Bassist Johan Niemann wippte dieser synchron mit seiner Haarpracht mit. Gerade wenn alle drei Saitendehner vorne synchron bangten kam das sehr kraftvoll rüber.

Hinter dem Frontmann rotierten die beiden auch ständig durch und suchten die Nähe zu der Menge. Danhage hatte einen richtig abgegriffenen Stratocaster ausgepackt, dessen Klang natürlich dem Gesamtbild mehr Tiefe gab. Was leider auch etwas nötig war, denn auch hier war die Rockstage zu dumpf abgemischt. Das störte den tollen Auftritt leicht, besonders in den schwelgerischen Passagen, gerade wenn man etwas weiter außen stand. Ansonsten war das natürlich eine schöne Abfahrt mit beachtlichem Niveau, bei der quer durch die gesamte Historie gespielt wurde, wobei natürlich „A Touch Of Blessing“ nicht fehlen durfte. Zudem wagten EVERGREY drei Titel vom brandneuen Longplayer „A Heartless Potrait: The Orphan Testament“, aus dem „Save Us“ das Set eröffnete.

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VICTORY (Rockklassiker Stage)
Im Gegensatz zu ihren Landsleuten am Nachmittag musste sich die legendäre Hard Rockformation mit dem kleinen Zelt zufrieden geben, wenn auch zu bester Uhrzeit. Ein wenig verschenkt war das schon, denn die Hannoveraner gaben mächtig Gas. „Are You Ready“ war schon wie bei JEAN BEAUVOIR die einleitende Frage, und die wenigen Anwesenden waren es für eine Rockshow, die sich gewaschen hatte. Da stand da oben keiner still, die Jungs rockten wirklich bis der Mediziner aufläuft. Sie hatten auch die Mucke dazu, die Riffs kamen ebenso breitbeinig wie das Posing der Fünf.

Gitarrist Mike Pesin und Bassist Malte Frederik Burkert machten auf dem linken Flügel richtig Alarm, überboten sich mit ihrem Stageacting und spulten reichlich Meter herunter. Rechts war das Feld des Herman Frank, des letzten Verbliebenen der großen Zeiten. Bei seinen starken Soli war er immer ganz vorne zu finden und genoss den Zuspruch seiner Fans. Da musste auch Sänger Gianni Pontillo zurück stehen, wenn das Urgestein seine Show abzieht. Der sah zwar aus wie der Pizzabäcker von nebenan, mitsamt aus der Mode gefallenen Hemd, warf dafür seine Monsterröhre in den Ring.

Diejenigen, die da waren kamen voll auf ihre Kosten und gaben der Band viel Energie zurück, immer wieder wurden VICTORY angefeuert. Hits wie „Rock´n´Roll Kids Forever“ eignen sich auch prima zum Mitsingen. Klar lag der Fokus auf den frühen Scheiben mit einem Übergewicht auf „Temples Of Gold“, während das vielleicht stärkste Werk „Culture Killed The Native“ nicht zum Zuge kam. Material vom neuen „Gods Of Tomorrow“ wie „Love & Hate“ reihte sich fast nahtlos in das Programm ein. Bei „Check´s In The Mail“ ging völlig die Post ab, vor allem weil sich Pesin und Frank ein irres Tappingduell lieferten. Simpel und effektiv, so muss knackiger Hard Rock klingen, und so muss man ihn zelebrieren.

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MEGADETH (Rock Stage)
Auf den Auftritt haben sich viele hier gefreut, mehrmals musste die Thrash-Legende absagen, doch nun war es soweit. Kein Wunder dass die zweitgrößte Bühne an dem Tag, an dem nicht so viel Publikum zugelassen ist, bei Showstart voll stand. Das Bühnenbild verhieß auch Großes, Marshall-Türme und dazwischen Leinwände, das Drumkit von Dirk Verbeuren in schwindelerregender Höhe. Mit einer derart große Produktion reisen die Vier selten, das SwedenRock macht es möglich, das Warten hatte sich auf alle Fälle gelohnt.

Alleine weil die beiden eröffnenden Hits von „Rust In Peace“ das Set einrahmten und somit früh für Begeisterung sorgten. Die schwappte soweit über, dass die Meute die Breaks zwischen den Soloattacken am Ende mit „Hey, Hey, Hey“ mitsangen. Gleiches war beim größten Hit zu vernehmen, als die Fans zum markanten Thema immer wieder „MEGADETH“ skandierten. Habe ich so auch noch nicht gehört, es zeigte, wie sehr die Anhänger hinter der Band standen.
Selbiges war auch von der Band zu hören, deren Beitrag musikalisch auf höchstem Niveau war, die irrsten Soli wurden tight herunter geshreddert, man spürte die Leidenschaft in jedem Ton. Kiko Loureiro und Dave Mustaine sind mittlerweile gut auf einander eingespielt. Dahinter ballerte Verbeuren alles in Grund und Boden, beackerte sein Kit wie ein Berserker, die Breaks flogen einem nur so um die Ohren.

Dazu konnte der neue Gitarrist seine lateinamerikanischen Wurzeln im Instrumental des immer noch aktuellen „Dystopia“ unter Beweis stellen. Überhaupt war er der agilere der beiden Sechssaiter, rannte für seine Soli oft nach vorne auf den Steg ins Publikum. James Lomenzo tat es ihm am Langholz gleich und rotierte mit ihm ständig die Bühnenseiten. Einzig der Mainman tat sich etwas schwer, wirkte sichtlich gealtert, nicht nur wegen seines weißen Bartes. Bewegungen schienen ihm nicht leicht zu fallen, sein nöliger Gesang war noch etwas dünner als sonst.
Doch spielerisch ließ er sich absolut nichts anmerken, da saß alles perfekt. Wenn er dann nach vorne kam im eher gemächlichen Tempo, gerne auch um längere Ansagen zu machen und sich zu bedanken. Ich weiß nicht, ob ich mir um seine körperliche Konstitution mehr Gedanken machen muss oder um seine geläuterte Art. Mir erschien er fast schon zu handzahm, ein Schuss mehr Stinkstiefel wie früher fehlte schon.

Beim Publikum kam seine Art an, das ihn mit Sprechchören feierte, was ihn sichtlich rührte. Dafür schenkte er ihnen auch drei Lieder vom „Peace Sells….“-Klassiker, aber erneut nicht „Devil´s Island“. Vielleicht hätte man auch mehr von „Youthanasia“ oder etwas von „So Far… So Good… So What! bringen können, während die Welt nicht wirklich einen Song von „The World Needs A Hero“ braucht. Ansonsten stimmte die Mischung und mit dem Beitrag vom „Last Action Hero“-Soundtrack überraschte man. Vor allem gegen Ende gab es ein Hitfeuerwerk, welches auch den ein oder anderen Pit lostrat und Matten wie Hörner fliegen ließ.

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Setlist MEGADETH:
Hangar 18
The Threat Is Real
Dread And The Fugitive Mind
Angry Again
Conquer Or Die!
Dystopia
Sweating Bullets
The Conjuring
Trust
A Tout Le Mode
Wake Up Dead
Symphony Of Destruction
Peace Sells… But Who´s Buying?
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Holy Wars… The Punishment Due

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